Kapitel 28. Luftüberlegenheit
Im Juni 1941 ging der Krieg nicht zu Ende. Hingegen fing er nur noch an. Wie schwer die Verluste in den ersten Tagen auch waren, die sowjetische Luftwaffe verschwand vom Himmel des Krieges gar nicht. Außerdem war sie dem Gegner zahlenmäßig immer noch beachtlich überlegen (Anhang 4).
Und es ist kein Wunder. Erstens erlitt die sowjetische Luftflotte keine einigermaßen bedeutenden Verluste auf den Flanken des Krieges (die Luftwaffe der Odessaer und Leningrader Militärbezirke, der Schwarzmeerflotte und Baltischen Flotte). Ungeachtet der großen Verluste war eine ursprünglich riesige Gruppierung der Luftwaffe der Südwestfront (Kiewer Militärbezirk) dem Gegner, wie früher ums mehrfache überlegen. Trotz der schweren Verluste in der Luft erhielten die Langstreckenbombenflugzeuge den Großteil ihrer Flugzeugen und Besatzungen aufrecht (ihre Flugplätze waren so gut, wie nicht zerstört)
Zweitens kämpfte die Sowjetunion im Unterschied zu Deutschland nur an einer Front (Japan, das theoretisch ein Verbündeter von Hitler war, machte keinen Schritt in Richtung sowjetische Grenzen, was dem Kommando der Roten Armee eine Verlagerung der Großzahl der Truppen aus dem Fernen Osten nach dem Westen ermöglichte. Im Laufe der 9 Junitage wurden an die Front vier Fliegerdivisionen (drei gemischte Divisionen und eine Jagdflugzeugdivision) verlagert. Insgesamt wurden vom 22. Juni bis zum 1. August 1941 15 Fliegerdivisionen aus den inneren Militärbezirken, aus Transkaukasien und dem Fernen Osten verlagert, die der Luftwaffe der bestehenden Fronten zugeteilt wurden. (3, 27, 30) 15 Fliegerdivisionen haben mindestens 3 Tausend Flugzeuge und Besatzungen, d.h. diese Gruppierung war allen Verbände der Luftwaffe an der Ostfront beachtlich zahlenmäßig überlegen.
Das Letzte und das Wichtigste: sogar im Bereich der West- und Nordwestfront hatte der vernichtende Angriff auf die Flugplätze (und die noch mehr vernichtende Verlagerung) nur riesige Flugzeug-, aber nicht Fliegerverluste zur Folge. Die Hauptkonstituente der Luftstreitkräfte, die ausgebildeten und vorbereiteten Flugzeugbesatzungen, wurde aufrechterhalten. Einem aufmerksamen Leser hätten im vorhergehenden Kapitel zwei im Text hervorgehobene Zahlen ins Auge fallen sollen ("75% der Besatzungen wurden aufrechterhalten, Kriegsgerätverluste betrugen 80 % ). Was "die Kriegsgerätverluste betrifft", so wurden sie ziemlich schnell nachgeholt. So bekam die Luftwaffe der Westfront im Zeitraum zwischen dem 25. Juni bis 16. Juli 709 Flugzeuge. (23) Diese Zahl ist sogar Fachleuten wenig bekannt, deshalb führen wir auch den genauen Hinweis aus dem Archiv an: das Zentralarchiv des Verteidigungsministeriums, f.35, op.3802, d.19, ll.70-76. Mit anderen Worten waren die Verluste der Luftwaffe der Westfront, die durch den "plötzlichen Angriff auf die Flugplätze" (wenn von einer allgemein geltenden Menge von 550-600 Flugzeugen ausgeht) verursacht worden waren, bereits nach 20 Tagen durch die Lieferungen der neuen Technik vollständig nachgeholt und sogar überboten.
Um so weiter – um so mehr. Mit dem Beginn der Kampfhandlungen wurden die Flugzeugwerke der Sowjetunion vom forcierten Vorkriegsbetrieb auf den superforcierten Militärbetrieb umgestellt. Dabei schützte die riesige Weite des russischen Raumes die sowjetische Flugzeug- und Flugzeugmotorenindustrie vor einem Luftangriff besser und sicherer als jede Flugabwehr. In der zweiten Jahreshälfte 1941 wurde die Produktion der Flugzeuge nicht nur nicht verringert, sondern auch erhöht - trotz des ganzen Durcheinanders beim Rückzug, des Zusammenbruches des Transportsystems und der begonnenen Evakuierung einiger wichtigster Werke. Bereits vom Juli bis zum September 1941 lieferten die Werke der Flugzeugindustrie an die Front 4517 Kampfflugzeuge. (3) Insgesamt wurden in der zweiten Jahreshälfte 1941 8444 Kampfflugzeuge, einschließlich 5229 Jagdflugzeuge (2211 MiG-3, 2141 LaGG-3, 877 Jak-1) produziert. In den Klammern merken wir an, daß Deutschland, für welches ganz Europa arbeitete", in beiden Jahreshälften des Jahres 1941 nur 2850 Jagdflugzeuge produzierte.
Natürlich darf man nicht alle obengenannten Zahlen für absolut genau halten, in verschiedenen Quellen werden sie mit einer Streuung von 10-15 % veröffentlicht, und zwischen der Abnahme des Flugzeuges durch einen Militärvertreter und dessen tatsächlichen Lieferung an den jeweiligen Truppenteil geht einige Zeit vor, wodurch der Unterschied zwischen den Zahlen noch größer wird. Auf jeden Fall wurden "die Normen überschreitenden" Verluste der ersten Kriegswochen schon zum Herbst 1941 nachgeholt.
Was Deutschland anbetrifft, so konnte seine Flugzeugindustrie 1941 die einfache Nachholung der Verluste nicht sicherstellen. Hitler hatte keine Verbündeten, die fähig waren, Kampfflugzeuge zu Hunderten und dann zu Tausenden zu liefern. Als Ergebnis verfügte eine Gruppierung der Luftwaffe an der Ostfront über so viele Flugzeuge zu keinem anderen Zeitpunkt, als am 22. Juni 1941. Zum Anfang September 41 hatten drei Luftflotten (Luftflotte 1., 2. und 4.) nur 1005 Maschinen im Bestand (weniger, als die Hälfte der gesamten Stärke der Gruppierung am 22. Juni). Ja, nicht jeden Tag war die Lage für das Kommando der Luftwaffe so traurig, wie Anfang September, nach heftigen Sommerkämpfen, sondern auch statistische Durchschnittszahlen zeugen von den wachsenden Verlusten, die durch die Lieferungen der neuen Technik nicht nachgeholt werden. So sank die monatsdurchschnittliche Anzahl der Jagdflugzeuge im Herbst 1941 von den ursprünglichen 850 auf 650-700 Jagdflugzeuge; die monatsdurchschnittliche Anzahl der zweimotorigen Bombenflugzeuge sank zum Winter 1941 von 900 auf 750 Stück.
Im Sommer 1941 kämpfte Deutschland und seine Luftwaffe an den zahlreichen Fronten vom Ärmelkanal bis zum Dnjepr, von Nordafrika bis Nordnorwegen. Noch eine "Front" stellten die Seewege dar, auf denen der Kampf die Anwesenheit der großen Luftstreitkräfte im Himmel über dem Atlantik forderte. In solcher Situation hatte das Kommando der Luftwaffe nicht nur die Möglichkeit, den Bestand der Gruppierung im Osten zu erhöhen, sondern sie war sogar dazu gezwungen, die Jagdflugzeuggruppen von der Ostfront an die Mittelmeerfront zu verlagern. Im Dezember 1941 kämpften im Himmel über Malta und Nordafrika schon 6 der 22 Jagdflugzeuggruppen der Luftwaffe, die sich am 22. Juni im Osten befanden.(II, III/JG 27, I, II, III/JG 53, II/JG 3)
Die sowjetischen Truppen waren nach wie vor zahlenmäßig überlegen. Leider erwuchs daraus keine Luftüberlegenheit der sowjetischen Luftwaffe. Für eine ausführliche und glaubwürdige „Besprechung der Flüge" sind weitere genauso dicke Bücher zu schreiben. Nichtsdestoweniger kann man einige Vorstellung vom "Wirkungsgrad" der verfügbaren sowjetischen Jagdflugzeuge durch Vergleich, und zwar den Vergleich der Verluste der deutschen Luftwaffe während der Kämpfe im Mai (1940) im Himmel Frankreichs mit den Verlusten der Luftwaffe an der Ostfront im Sommer 1941 bekommen.
Wie oben bereits erwähnt, wurde der erste Tag "des Triumphmarsches" (der 10. Mai 1940) zum Tag der größten Verluste der Luftwaffe innerhalb der ganzen Dauer des Zweiten Weltkrieges - 304 Flugzeuge wurden unwiederbringlich verloren, die Verluste der Flugzeugbesatzungen betrugen 607 Gefallene und Vermisste, 133 Verwundete. Zwar sind in dieser riesigen Menge auch 157 Transportflugzeuge „Junkers“ mit enthalten, die am ersten Kriegstag im Zuge der Luftlandung in Holland abgeschossen wurden und abstürzten. Für die Zwecke unserer Forschung wäre es korrekt, die Statistik der Verluste "der Kampfflugzeuge" im engsten Sinn dieses Begriffes, d.h. die Verluste nur der Bomber und Jagdflugzeuge aller Typen zu erfassen. Diese Verluste betrugen am 10. Mai 1940 111 Flugzeuge (7 Jagdflugzeuge, 9 Stutzkampfflugzeuge, 95 zweimotorige Bomber). (21) Die unwiederbringlichen Kampfflugzeugverluste der Luftwaffe betrugen am 22. Juni 1941 62 Stück (siehe Anhang 6).
Insgesamt wurden inzwischen dem Westfeldzug (vom 10. Mai bis zum 24. Juni 1940) 976 Kampfflugzeuge, einschließlich der 250 einmotorigen Jagdflugzeuge unwiederbringlich verloren. Im vergleichbaren Zeitraum (vom 22. Juni bis zum 31. Juli 1941) betrugen die unwiederbringlichen Verluste der deutschen Luftwaffe an der Ostfront 583 Kampfflugzeuge, einschließlich der 189 einmotorigen Jagdflugzeuge.
Während der drei ersten Kriegswochen betrugen die unwiederbringlichen Kampfflugzeugverluste der Luftwaffe an der Westfront (vom 10. bis zum 31. Mai 1940) 642 Stück. Der Autor hat keine Daten über den vergleichbaren Zeitraum. Wenn wir die Juniverluste und die Hälfte der Juliverluste rechnerisch addieren, so stellt es sich heraus, daß die Deutschen an der Ostfront 398 Kampfflugzeuge unwiederbringlich verloren haben.
Wie wir sehen, waren die Verluste der Luftwaffe an der Westfront innerhalb jedes erwähnten Zeitraums höher, als an der Ostfront. Sofort bemerken wir, daß wir im Hinblick auf die Ostfront die Flugzeugverluste der Luftwaffe nicht berücksichtigt haben (Unfälle und Katastrophen), die nicht aus Kämpfen stammten und im Sommer 1941 einen sehr bedeutenden Anteil (15-25 %) an den Verlusten betrugen. Aber auch unter Berücksichtigung dieses Vorbehalts änderte sich das Bild qualitativ nicht - die Verluste an der Westfront waren höher, aber nicht ums1,6-fache, sondern circa ums 1,35-fache. Mit anderen Worten fügten französische und englische Jagdflugzeuge (insgesamt 650-700 Flieger) dem Gegner höhere Verluste, als 3,5 Tausend "Stalinsche Falken" zu. Und all das angesichts der Tatsache, daß die taktisch-technischen Daten der Jagdflugzeuge der Alliierten durchaus nicht besser, als die der Flugzeuge der sowjetischen Luftwaffe waren (darüber wurde vorstehend viel und ausführlich gesagt). Man muß auch über die ernste Kampferfahrung der französischen oder englischen Fliegern nicht sprechen, während der Großteil der sowjetischen Jagdflugzeuge bis zum Juni 1941 schon "die Schule" der Kämpfe in Spanien, in China, am Khalkhin-Gol und in Finnland hinter sich hatte.
Übrigens über Finnland. Die Ergebnisse der Luftkämpfe zwischen der sowjetischen und finnischen Luftwaffe verdienen zumindest eine kurze Erwähnung. Vom 25. Juni und bis zum Jahresende (die aktive Phase der Kampfhandlungen wurde tatsächlich in den Dezembertagen beendet) meldeten die finnischen Jagdflugzeuge 307 sowjetische Flugzeuge abgeschossen. Das sind gemeldete Siege. Was geschah in der Wirklichkeit? Werke heimischer Historiker können uns nur wenig bei der Beantwortung dieser Frage helfen, da die sowjetische Historiographie "keinen zweiten sowjetisch-finnischen Krieg" kannte und akzeptierte. Es gab "die Teilnahme Finnlands an der Hitleraggression gegen die UdSSR", beziehungsweise wurden separate Statistiken der Verluste an der finnischen Front niemals geführt. Im klassischen Sammelband "Geheimhaltungsvermerk gelöscht", herausgegeben von Krywoschejew (35), ist eine gewisse Anzahl der Verluste (64 Flugzeuge) in "der Defensivoperation in Karelien" aufgeführt, doch waren die chronologischen Rahmen dieser Operation auf den 10. Oktober 1941 beschränkt, und diese "Operation" schließt die Kampfhandlungen im August 1941 auf der Karelischen Landenge nicht ein (was die sowjetische Historiografie "immer" im allgemeinen Kontext der Leningrader Defensivoperation auflöste).
Andererseits ist es genau bekannt, dass sich finnische Jagdflugzeuge durch eine erhöhte Bescheidenheit, was gemeldete Siege in der Luft anbelangte, auszeichneten. So meldeten sie gleich am Kriegsanfang vom 25. bis zum 30. Juni 1941 34 sowjetische Bomber abgeschossen - während die Archivdokumente der sowjetischen Fliegerverbände vom Verlust von 22 Bombenflugzeugen (Zusammenstöße in der Luft und Beschüsse durch eigene Jagdflugzeuge nicht mit eingerechnet) am 25-26 Juni zeugten. (142) Im Verlauf der Sommerkämpfe 1944 meldeten finnische Jagdflugzeuge und die deutsche Jagdflugzeuggruppe (tatsächlich zwei Staffeln) 566 sowjetische Flugzeuge abgeschossen. (176, S. 355) Dabei wird im Nachschlagewerk von Krywoschejew der Verlust von 311 sowjetischen Flugzeugen - wiederum, innerhalb eines kurzen Zeitraums akzeptiert.
Indem wir einen ziemlich realistischen Überhöhungskoeffizienten der Überhöhung (in diesem Fall ungefähr das 2-3-fache) annehmen, kommen wir zum Schluß, daß finnische Jagdflugzeuge nicht weniger, als 100-150 sowjetische Flugzeuge abgeschossen haben. Sie haben selbst aber nur 11 Jagdflugzeuge dabei verloren. Das Verlusteverhältnis ist mindestens 1 zu 10. Besonders beeindrucken die Ergebnisse der Kampfhandlungen mit Jagdflugzeuggruppen LLv-24 (über 133 abgeschossene sowjetische Flugzeuge abgeschossen gemeldet, eigene unwiederbringliche Verluste - ein "Brüster", das von Flaks abgeschossen wurde) und LLv-26 (es wurden über 52 Siege gemeldet, die eigenen unwiederbringlichen Verluste sind gleich Null). (176, S. 269) Zu diesen Zahlen ist es nur noch hinzuzufügen, daß die finnische Luftwaffe 1941 gar keine "Messerschmidt" in ihrem Bestand hatte, und der phänomenale Erfolg wurde mit einem Haufen der stark abgenutzten verschiedenartigen Flugzeuge erreicht (dabei war unter konkreten Bedingungen des Jahres 1941 die Möglichkeit für Flugzeuge aus amerikanischer, französischer und holländischer Produktion Ersatzteile und
Reparatursätze zu bekommen, tatsächlich ausgeschlossen). Wir stellen auch fest, daß finnische Flieger keine „Erfahrung des langjährigen Krieges in der Luft" hatten, und beide kämpfenden Seiten die reale Kampferfahrung in Kämpfen gegeneinander bekamen.
Wir kommen aber auf die Ereignisse an der deutschen Hauptfront des Krieges zurück. Hier werden wir mit nicht weniger erstaunlichen Tatsachen konfrontiert: die Verluste der deutschen Luftwaffe an den ersten Kriegstagen und -wochen waren zur selben Zeit, als die Luftwaffe laut der traditionellen Version der sowjetischen Historiografie die absolute Luftüberlegenheit hatte, wesentlich … höher als in den nachfolgenden Monaten! Noch einmal heben wir hervor, daß es um die unwiederbringlichen Kampfflugzeugverluste geht, die "durch den Gegner und unbekannte Gründen verursacht sind". Diese Betrachtungsweise der Statistik der Verluste verringert wesentlich die Zahlen" (die Folgen der Unfälle und Katastrophen, zahlreiche Kampfbeschädigungen, die aus und nicht aus Kämpfen stammten, die de vorläufige Störungen der Flugzeuge verursachten, wurden nicht berücksichtigt), aber für die Berücksichtigung der Aktivität und des Wirkungsgrades der Gegenmaßnahmen des Gegners (d.h. der sowjetischen Luftwaffe) stellt sie sich am passendsten dar.
Also, am 22. Juni 1941 hat die Luftwaffe (im oben erwähnten Sinn des Wortes "Verlust") 62 Flugzeuge verloren, 62 Flugzeuge ab einem Tag. Insgesamt wurden im Zeitraum vom 22. bis einschließlich zum 30. Juni 213 Flugzeuge, d.h. 24 Flugzeuge täglich verloren. Im Juli 1941 wurden 370 Flugzeuge, d.h. 12 Flugzeuge täglich verloren. Die monatsdurchschnittlichen Verluste im Juli stellten sich als doppelt wenig gegenüber den Juniverlusten heraus. Je weiter - desto weniger. Im August wurden 198 Flugzeuge, d.h. weniger als 7 Flugzeuge täglich verloren. Das allgemeine Ergebnis der deutschen Verluste an der Ostfront sieht im Jahre 1941 wie folgt aus: (145, 146)
- 382 Jagdflugzeuge (32 davon - am Boden)
- 638 Bombenflugzeuge
- 161 Stukas Ju-87
- 132 Mehrzweckflugzeuge Ме-110
- Insgesamt 1.313 Kampfflugzeuge, darunter 62 Flugzeuge, die vom Gegner auf den Flugplätzen zerstört wurden.
Wie wir sehen, lagen die durchschnittlichen täglichen Verluste bei 7 Flugzeugen am Tag, d.h. sie waren ums 3,5-fache weniger als im Juni 1941, ja, in diesem „schwarzen Juni" 1941 ("auf den Flugplätzen zerstörte sowjetische Flugzeuge, " grenzenlose Reihen der Flugzeuge mit Spinnenhakenkreuz" und noch anderes …)
Man braucht auch die unumstrittene Tatsache zu betonen, daß die Umrüstung der sowjetischen Jagdflugzeuge auf die Flugzeuge "der neuen Typen" in der zweiten Hälfte 1941 mit atemberaubender Geschwindigkeit geschah. Aus dem einfachsten Grund - der Großteil der in den Vorkriegsjahren angesparten Jagdflugzeuge I-16 und I-153 (etwa 1,5 Tausend) wurde auf den Flugplätzen der Baltischen Länder, Weißrusslands und der Westukraine in zwei ersten Kriegswochen verloren. Die Flugzeuge "Ischak" und "Tschajka" wurden nur auf den Flanken der riesigen Front (in der Luftwaffe der Leningrader und Odessaer Militärbezirke und in den Luftstreitkräften der Flotten) aufrechterhalten. Die Struktur der sowjetischen Jagdflugzeugverluste zeigt deutlich (Anhang 10), daß der Großteil der Verluste ( und folglich - der Kampfaktivität) abzüglich der Verluste in den ersten Kriegswochen auf die Jagdflugzeuge "der neuen Typen“ entfällt. Jedoch wurde dabei keine Steigerung der Verluste des Gegners, dem jetzt schon nicht " Ischaks", sondern "MIGs" entgegenstanden, festgestellt.
Der Grund, aus dem die deutsche Luftflotte an den ersten Kriegstagen und in den ersten Kriegswochen beachtliche Verluste erlitt, ist einfach und offensichtlich. Die Sowjetunion bereitete sich auf den Krieg mehrere Jahre lang mit der maximalen Anstrengung der Kräfte des riesigen Landes vor, das vom grausamsten totalitären Regime gedrillt wurde. Es wurde das ernste wichtige, grobe, sichtbare Ergebnis erreicht. Die deutsche Luftwaffe konnte nicht umhin, abzustürzen, als sie auf "eine Mauer" aus Hunderten Flugzeugregimente und mehreren Tausenden Flugzeuge traf. Für jede von 340 Jagdflugzeugstaffeln der sowjetischen Luftwaffe, die sich am Anfang des Krieges auf dem westlichen Kriegsschauplatz befanden, war es genug, je drei deutsche Flugzeuge abzuschießen, und die Gesamtsumme der unwiederbringlichen Verluste der Luftwaffe hätte beinahe die Hälfte der ursprünglichen Anzahl der Kampfflugzeuge betragen.
Und außer den Jagdflugzeugen gab es ja auch Fliegerschützen in Bombenflugzeugen. Sie schossen feindliche Flugzeuge auch ab, und zwar sehr aktiv. Charakteristisches Beispiel: von allen Regimentern der Luftwaffe an der Südwestfront belegten den vierten Platz nach der Anzahl der abgeschossenen feindlichen Flugzeuge keines der Jagdflugzeugregimente, sondern das 94. Bombenflugzeugregiment (!!!) (die Fliegerschützen der Bombenflugzeuge SB aus diesem Regiment meldeten 23 deutsche Flugzeuge zum 10. Juli 1941 abgeschlossen). (161)
Zwei erste Kriegswochen waren der einzige Zeitraum, als sich die wöchentlichen unwiederbringlichen Flugzeugverluste der Luftwaffe an der Ostfront in dreistelligen Beträgen ausdrückten. Später pendelten sich die Gesamtverluste (verursacht durch alle Gründe) auf 50-60 abgeschlossene und 30-40 beschädigte Flugzeuge in der Woche ein. Ja, vor dem Hintergrund der großen Mengen der verlorenen (in allen Bedeutungen dieses Wortes) Flugzeuge der sowjetischen Luftwaffe werden die Verluste des Gegners gering erscheinen. Aber das ist nur der äußere Anschein. Schon seit Anfang September 1941 überstiegen die unwiederbringlichen Gesamtverluste (1350 Flugzeuge nach den minimalsten Einschätzungen) die Hälfte der ursprünglichen Stärke der Gruppierung. Zum Anfang Dezember 1941 lagen die unwiederbringlichen Gesamtverluste (einschließlich der nicht durch Kämpfe verursachte Verluste) bei 2090 Flugzeugen, d.h. wurden fast der ursprünglichen Anzahl gleich. (166)
Die Realität der schweren Verluste der Luftwaffe wurde auch durch die Angaben über die Verluste einzelner Truppen und Verbände bestätigt. So verlor im Juni 41 das Bombengeschwader KG-51 unwiederbringlich 30 "Junkers" der neuesten Modifikation Ju-88 A4. Das Elitejagdflugzeuggeschwader von Mölders
(JG-51) hat bis Ende Juli in den Luftkämpfen 40 Flugzeuge, d.h. ein Drittel von der ursprünglichen Stärke unwiederbringlich verloren. Am 30. August 1941 blieb im Bestand der Jagdflugzeuggruppe III/JG3 eine funktionsfähige "Messerschmidt". Bis zum 2. September reparierten die Instandsetzungsgruppen 10 beschädigte Flugzeuge, und in dieser Zusammensetzung deckte die Abteilung III/JG3 unter dem Befehl eines der besten Asse der Luftwaffe V. Ösau den Besuch Hitlers und Mussolinis in Uman.
Einen leichten Spaziergang hatte weder die Wehrmacht, noch die Luftwaffe. Im Himmel des Krieges wurden erbitterte Schlachten geschlagen, in denen die Deutschen sehr und sehr beachtliche Verluste erlitten.
Andererseits erlitten die sowjetischen Luftstreitkräfte unermeßlich höhere riesige Verluste. Sogar ohne Rucksicht auf die merkwürdigen „Verluste auf den Flugplätzen“ überstiegen die Verluste der sowjetischen Luftflotte in den Kämpfen die Verluste des Gegners (nachfolgend werden alle Zahlen aus dem Sammelband "Die Luftwaffe des Großen Vaterländischen Kriegs in Zahlen" angeführt).
So verlor die Jagdflugzeugflotte 1380 Flugzeuge, die in den Luftkämpfen abgeschossen, und 350 Flugzeuge, die von Flugabwehrkanonen abgeschossen wurden. Insgesamt: 1730 Jagdflugzeuge, die unwiederbringlich „durch das Zutun des Gegners" verloren wurden. Es ist schon fünfmal so viel gegenüber den feindlichen Jagdflugzeugverlusten in der Luft (sieh oben). Aber die Kampfverluste der sowjetischen Luftwaffe waren auf diese zwei Kategorien (im Luftkampf abgeschossen, von Flakgeschützen abgeschossen) nicht begrenzt. Weiter 1400 Jagdflugzeuge sind unter "nach der Kampfaufgabe nicht zurückgekehrt“ vermerkt. Unter Berücksichtigung dieser Flugzeuge reicht das Verhältnis zwischen den Kampfverlusten der sowjetischen und deutschen Jagdflugzeugen bis 9 zu 1. Noch einmal erinnern wir, das sind Verluste in der Luft, ohne Berücksichtigung der Flugzeugverluste auf Flugplätzen!
Die Verluste waren riesig. Die Leistungen (im Vergleich zu den Verlusten) waren mehr als bescheiden. In der ganzen Kriegsgeschichte des Krieges gibt es kaum einen weiteren derartigen Aspekt, in dem die Einschätzungen der Teilnehmer des Geschehens von der sowjetischen und deutschen Seite sich so decken, wie die Einschätzungen "der Effektivität des Einsatzes" der sowjetischen Jagdflugzeugflotte im Jahre 1941. Der Satz - "Die deutsche Luftflotte bombt unbestraft, unsere Jagdflugzeuge sind nicht zu sehen" - wurde tausendmal in Meldungen, Berichten, in operativen Zusammenfassungen wiederholt. Wenn Kommandeure der Roten Armee so etwas schrieben, so konnte man noch das absichtliche „Teufel-an-die-Wand-Malen", den Wunsch "triftige Gründe" für die Zerschlagung der ihnen unterstellten Truppen zu finden, vermuten. Aber sowohl deutsche Flieger als auch ihre Kommandeure schreiben buchstäblich dasselbe. Was für einen Grund haben sie dafür, um den Grad des Widerstandes des Gegners zu bagatellisieren, den sie zerschlagen haben?
Der General der Luftwaffe W. Schwabedissen (Kommandeur des Flakartilleriekorps am Kriegsanfang) schrieb anhand von Berichten des Kommandos und Erinnerungen der Offiziere der Luftwaffe ein Buch, das der Auswertung des Einsatzes der sowjetischen Flugzeuge in den Jahren 1941 - 1945 gewidmet war. (19) Dort werden insbesondere folgende Aussagen der unmittelbaren Teilnehmer der des Geschehens angeführt:
"... In 60 Abflügen bis zum 9. September 1941 traf unsere Einheit auf sowjetische Jagdflugzeuge nur 10 Mal … wenn sowjetische Flieger versuchten, anzugreifen, eröffneten sie das Feuer noch bei 500 Metern und bemühten sich, im Sturzflug zurückzuweichen, kaum daß ein Bomber das Gegenfeuer eröffnete" (Major Kossart, Kommandeur einer Bomberstaffel)
"... Ich selbst wäre mehrmals fast auf russische Jagdflugzeuge gestoßen, indem ich durch ihre Reihe flog, und sie eröffneten nicht einmal das Feuer." (Oberstleutnant H.Reisen, Kommandeur der Bombenflugzeuggruppe II/KG-30)
"... Bis zum Herbst 1941 entweder stießen wir auf die sowjetischen Jagdflugzeuge nicht, oder sie griffen uns einfach nicht an" (Major J.Jodicke, Kommandeur einer Bomberstaffel)
"... Vom 22. Juni bis zum 10. August 1941 machte ich ungefähr 100 Abflüge und nur fünfmal traf ich auf sowjetische Jagdflugzeuge, aber in jedem dieser Fälle kam es zu keinem ernsten Kampf „
(Hauptmann Pabst, Kommandeur einer Stukastaffel)
"... Bis zum Ende 1941 flog ich 21 Mal zwecks strategischer Aufklärung in die Tiefe des russischen Hinterlandes und nur einmal stieß ich auf sowjetische Jagdflugzeuge" (Major Schlage)
Die eigene Schlußfolgerung formuliert Schwabedissen wie folgt: "Alle Mitteilungen der Kommandeure der deutschen Bombeneinheiten zeugen davon, daß im Jahre 1941 sowjetische Jagdflugzeuge keine Gefahr für deutsche Bombenflugzeuge darstellten und den Kampf gegen sie häufig vermieden". Er zitiert auch einen gewissen Bericht des Kommandos des Jagdflugzeuggeschwaders JG-54, in dem stand: " Kämpfe zwischen Jagdflugzeugen waren selten... russische Piloten bemühten sich, den Kampf zu vermeiden und sofort auszuweichen…
Die ersten abgeschossenen Flugzeuge riefen Verwirrung hervor. In solchen Fällen war die Mehrheit der sowjetischen Flieger im Luftkampf hilflos, und deutsche Piloten schossen sie leicht ab... "
Man sollte nicht denken, dass sich „besiegte Hitlergeneräle" einfach verabredeten, das ganze Sowjetische zu verunglimpfen. Durchaus nicht. Die sowjetische Flakartillerie hat auf sie einen starken Eindruck gemacht, und sie verbergen ihn nicht. W.Schwabedissen schreibt in seiner Studie: „Die Flakschützen erholten sich vom ersten Schock schnell und wurden zu einem sehr starken Gegner ... Die Deutschen Kommandeure waren über die Effektivität der feindlichen Flakartillerie verwundert …"
Der oben erwähnte Major Kossart gibt zu, dass "Flugabwehrkanonen sehr erfolgreich gegen deutsche Flugzeuge kämpften... Gewöhnlich landeten die ersten Salven der schweren Flugabwehrgeschütze in der erforderlichen Höhe, häufig explodierten die ersten Geschosse in der Mitte der Reihe von deutschen Flugzeugen... Die Gründe für die Zerstörung der deutschen Flugzeuge waren vor allem das Feuer der Flakartillerie, dann das der Infanteriewaffe und nur zuletzt die Angriffe von Jagdflugzeugen …" (19, S. 49-50)
Natürlich widerspiegelt die letzte Bemerkung (über die geringe Effektivität des Einsatzes der sowjetischen Jagdflugzeuge) nur die persönliche Erfahrung eines der Kommandeure der Luftwaffe. Und obwohl man viele andere ähnliche Behauptungen finden kann, werden wir die Erinnerungen des Gegners nicht mehr zitieren, sondern werden wir vollständig – ohne Kürzungen und Zusätze - einen Befehl des Oberbefehlshabers der Roten Armee anführen. Es wurde seinerzeit angeordnet, diesen Befehl zur Kenntnis aller Flieger gegen Unterschrift zu bringen. Ich denke, dass jeder, wer sich für die Geschichte dieses Krieges interessiert, darin Einsicht nehmen soll:
Befehl Nr. 0685
den 9. September 1942, Moskau
Über die Einführung des Begriffes „Kampfabflug“ für Jagdflugzeuge
An der Kalininer Front, Westfront, Stalingrader, Südostfront und anderen Fronten wurden Tatsachen festgestellt, daß unsere Jagdflugzeugflotte in der Regel sehr schlecht agiert und ihre Kampfaufgaben sehr häufig nicht erfüllt. Unsere Jagdflugzeuge greifen gegen feindliche Jagdflugzeuge kämpfend nicht ein, und auch vermeiden sie Angriffe auf Bombenflugzeuge. Wenn sie Erdkampf- und Bombenflugzeuge decken, weichen unsere Jagdflugzeuge sogar dann aus, wenn sie den Jagdflugzeugen des Gegners zahlenmäßig überlegen sind, fliegen an den Seiten und lassen unbestrafte Abschüsse unserer Erdkampf- und Bombenflugzeuge zu.
Laut Befehl des Verteidigungsministers Nr. 0299 sind für das Flugpersonal als Förderung Entlohnungen in Geldform und Regierungsauszeichnungen für die Erfüllung der Kampfaufgabe bei einem Kampfabflug vorgesehen. Dieser Befehl wurde in den Luftstreitkräften an den Fronten herumgedreht.
Für den Kampfabflug hält man falsch jeden Flug auf das Gefechtsfeld unabhängig davon, ob die den Jagdflugzeugen obliegende Kampfaufgabe erfüllt wurde oder nicht. Dieses falsche Verständnis für einen Kampfabflug erzieht unsere Jagdflieger nicht im Geiste eines aktiven Angriffes auf feindliche Flugzeuge und ermöglicht einzelnen schlauen und feigen Fliegern, ebenso wie ehrlichen und tapferen Fliegern Entlohnungen in Geldform und Regierungsauszeichnungen zu bekommen.
Um diese Ungerechtigkeit zu beseitigen und nur ehrliche Flieger zu fördern und Schlitzrohre und Feiglinge zu ermitteln, sie aus unserer Jagdflugzeugflotte auszustoßen und zu bestrafen, befehle ich:
1. Für den Kampfabflug der Jagdflieger nur den Abflug zu halten, bei dem Jagdflieger auf den Luftgegner trafen und gegen ihn einen Luftkampf führten, und bei der Erfüllung der Aufgabe zum Schutz der Erdkampf- und Bombenflugzeuge für den Kampfabflug der Jagdflieger nur den Abflug zu halten, bei dem die Erdkampf- und Bombenflugzeuge bei der Erfüllung der Kampfaufgabe keine Verluste durch Angriffe der feindlichen Jagdflugzeuge erlitten.
2. Den jeweiligen Fliegern nur die feindlichen Flugzeuge als abgeschossen zuzurechnen, die durch Fotos oder Berichte der Beobachtung am Boden bestätigt sind.
3. Die Entlohnung für die Kampfabflüge und Vorschläge zu Regierungsauszeichnungen von nun an in strikter Übereinstimmung mit Punkten 1 und 2 des vorliegenden Befehls durchzuführen.
4. Die den Luftkämpfen ausweichenden Jagdflieger vor Gericht zu stellen und in die Straftruppenteile der Infanterie zu versetzen.
5. Den Befehl zur Kenntnis aller Jagdflieger gegen Unterschrift zu bringen.
Verteidigungsminister
I. STALIN
Dieser Befehl wurde leider nicht ohne bestimmten Grund erteilt. Der Erteilung dieses Befehls Erscheinen ging die Arbeit der Sonderkommission voran, der vom Sekretär des Zentralkomitees Malenkov geleitet wurde (die Schlußfolgerungen der Kommission wurden in den Wortlaut des Befehls fast wörtlich übernommen). Die Kommission fuhr an die Stalingrader Front und untersuchte die Umstände des schrecklichen deutschen Luftangriffs auf Stalingrad am 23. August 1942. An diesem Tag machten deutsche Bombenflugzeuge fast ohne jeglichen Widerstand seitens der sowjetischen Luftstreitkräfte mehr als Tausend Abflüge aus und machten den Nordteil der Stadt buchstäblich dem Erdboden gleich. Grundsätzlich gilt, dass allein an diesem einen Tag bis zu 60 % des Wohnhäuser in Stalingrad zerstört wurden, in im Feuer und unter den Ruinen der Gebäude nicht weniger als 40 Tausend Menschen ums Leben kamen.
Was den obenerwähnten Befehl des Verteidigungministers Nr. 0299 anbetrifft, so lautete seine vollständige Überschrift wie folgt: "Über das Verfahren der Auszeichnung des Flugpersonals der Luftwaffe der Arbeiter-und-Bauern- Roten Armee für gute Kampfleistungen und über die Maßnahmen zur Bekämpfung der verdeckten Desertion unter Militärfliegern". Wir wollen uns durch das Zitieren der ausführlichsten "Preisliste", wo Geldprämien (übrigens in sehr geringer Höhe) und Belohnungen, die für " gute Kampfleistungen versprochen wurden, aufgelistet waren, nicht ablenken lassen und gehen zum letzten Abschnitt des Befehls Nr. 0299 über:
"IV. Die Maßnahmen zur Bekämpfung der verdeckten Desertion unter einzelnen Fliegern.
Die Kommandeure und die Kommissare der Fliegerdivisionen sollen alle Fälle der Notlandungen mit eingezogenem Fahrgestell und andere Flugvorfälle, die das Kriegsgerät der Flugzeuge kampfunfähig machen, sorgfältig untersuchen.
Die Schuldigen, die mit eingezogenem Fahrgestell ohne triftige Gründe landeten oder andere Handlungen vornahmen, die das Kriegsgerät kampfunfähig machten, sind als Fahnenflüchtige zu behandeln und vor Militärgericht stellen ".
Man kann vermuten, dass zum Zeitpunkt, in dem dieser Befehl erschien (19. August 1941), das Oberkommando in Moskau schon bemerkte, dass die Anzahl der kampfunfähig gemachten Flugzeuge die Verluste der Flugbesatzungen drastisch überschreitet (Anhang 8). Ja, eben so sollen die Verhältnisse zwischen den Verlusten innerhalb eines langen (monate- und jahrelangen) Zeitabstands aussehen, wenn man zu den Kampfverlusten der Flugzeuge die ihnen zahlenmäßig ums mehrfache überlegenen Verluste aus dem physikalischen und moralischen Verschleiß dazugerechnet werden (veraltete Flugzeuge werden abgeschrieben und durch neue Typen ersetzt, was im Zeitalter des zweiten Weltkrieges ziemlich schnell geschah). Auf "der Kurzstrecke" innerhalb einer Operation sollen die Flugzeug- und Besatzungsverluste ziemlich vergleichbar sein.
Zumindest genauso sah das Bild in der Luftwaffe aus. Vom 22. bis zum 30. Juni 1941 verloren die Deutschen an der Ostfront unwiederbringlich 574 Menschen aus dem Bestand der Flugzeugbesatzungen (ohne das Personal der Bodendienste und Flakartilleristen), was mit erstaunlicher Genauigkeit mit der rechnerischen Anzahl der Besatzungsmitglieder der im Juni abgeschossenen Flugzeuge übereinstimmt (Anhang 6). Ähnliche Verhältnisse zwischen den Verlusten wurden an der Westfront festgestellt. Im Verlauf des Feldzuges im Mai - Juni 1940 hat die Luftwaffe (Gefallene und Vermisste) 3022 Personen aus dem Bestand der Flugzeugbesatzungen unwiederbringlich verloren. (165) Aus der Berechnung nach der Anzahl der Besatzungen der unwiederbringlich verlorenen Flugzeuge ergeben sich dieselben 3 Tausend Personen. Die französische Jagdflugzeugflotte verlor 257 Piloten als Gefallene und Vermisste, dabei wurden 250 Flugzeuge in den Luftkämpfen abgeschossen, 123 Flugzeuge durch Unfälle und Katastrophen verloren. (21)
Vor diesem Hintergrund sieht die Situation mit Flugzeug- und Besatzungsverlusten in der sowjetischen Luftwaffe mindestens merkwürdig aus.
Übrigens treten alle diese "Seltsamkeiten" vor dem Merkwürdigsten - der erstaunlich riesigen Zahl der vermissten Flugzeuge ("nach der Kampfaufgabe nicht zurückgekehrt") in den Hintergrund. Die Verluste in dieser Gruppe sind in der nachfolgenden Tabelle 28 dargestellt.
Tabelle 28
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1941 |
1942 |
Jagdflugzeuge
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1400 / 32 |
2469 / 64 |
Bombenflugzeuge
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1582 / 39 |
1049 / 72 |
Erdkampfflugzeuge
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372 / 70 |
1290 / 77 |
Anmerkung:
Die erste Zahl ist die Anzahl der Flugzeuge, die zweite Zahl sind Prozente von der Gesamtzahl der Kampfverluste;
Die Zahlen sind verblüffend. 1942 gab es mehr "Vermisste", als in den Luftkämpfen, von Flakgeschützen abgeschossene und vom Gegner auf den Flugplätzen zerstörte Flugzeuge zusammen genommen. Bei Erdkampfflugzeugen – dreimal so viele. Wie kann das sein?
In Anbetracht der Struktur der sowjetischen Bombenflugzeugflotte (die zu zwei Dritteln aus den Kurzstreckenbombenflugzeugen PE-2 und nur zu einem Drittel aus Langstreckenbombenflugzeugen DB-3f, die zumal sehr selten in die Tiefe des feindlichen Hinterlands flogen, bestand) ist dieses Verlustverhältnis sogar für Bombenflugzeuge unerklärbar. Um so mehr unglaublich stellt es sich in Bezug auf die Erdkampfflugzeuge IL-2 dar. Die Erdkampfflugzeuge "IL" kämpften unmittelbar über dem Gefechtsfeld, indem sie die Aufgaben zur Feuerunterstützung der Bodentruppen erfüllten. Die Erdkampfflugzeuge konnten die feindlichen Stellungen nur tagsüber, nur der guten Sichtverhältnissen angreifen; ein "nächtlicher Sturm" war im Prinzip unmöglich. Mit seltenen Ausnahmen war jedes Erdkampfflugzeug IL-2 für Tausende Augen sichtbar, der Platz und der Grund seines Absturzes waren auch sichtbar. Endlich war die Klärung der konkreten Gründe für den Absturz eines Kampfflugzeuges gar nicht für den Komfort der zukünftigen Historiker, sondern für die Optimierung der Bauart, des Panzerschutzes, Verteidigungsausrüstung, Einsatztaktik notwendig.
Die Zahlen in der Zeile für Jagdflugzeuge sind auch nicht weniger erstaunlich. Die Hälfte (47,4 %, um genau zu sein) aller Abflüge der sowjetischen Jagdflugzeuge sind die Unterstützung der Bodentruppen und der rückwärtigen Objekte, d.h., was sich vor Zehntausenden Menschen abspielte. 37 % von der Gesamtzahl der Abflüge der Jagdflugzeuge waren die Begleitung der ihrer Einsatzflugzeuge, d.h. der erwähnten PE-2 und IL-2, die in der Hauptkampflinie zum Einsatz kamen. Die einzige Situation, in der ein Paar (Abteilung) der Jagdflugzeuge spurlos verschwinden konnte, war "freie Jagd" im operativen Hinterland des Gegners. Auf diese Art der Kampftätigkeit entfielen nur 2,7 % der Abflüge von der Gesamtzahl der Abflüge der sowjetischen Jagdflugzeuge, ungefähr so groß hätte der Anteil der „vermissten“ Jagdflugzeuge an den Gesamtverlusten sein können. Tatsächlich stellte er sich als 10-20 mal größer heraus.
Was war das? Auf diese Frage weiß der Autor keine Antwort. In Ermangelung von etwas Besserem bin ich bereit, dem Leser eine Hypothese vorzuschlagen. Und zwar wurde die undeutliche Formulierung "nach der Kampfaufgabe nicht zurückgekehrt“ zu einem Euphemismus, der in den Berichten im Jahre 1942 an die Stelle des der "Glaubwürdigkeit" nach ähnlichen Euphemismus des Jahres 1941 ("vom Feind auf dem Stationierungsflugplatz zerstört") trat. Mit Hilfe dieser schlauen Zahl wurde in Berichten sowohl die Fahrlässigkeit des Kommandos, als auch die unermeßlich hohe Unfallhäufigkeit, und das, was im vom Stalin unterschriebenen Befehl einfach und ohne Umschweife "verdeckte Desertion" hieß, verheimlicht. Das überzeugendste Argument, das dafür spricht, dass der Großteil "der vermißten" Flugzeuge ganz und gar kein unumstößliches Gesetz des Krieges ist, ist die Dynamik der Veränderung dieses Parameters (Anhang 9). Während auf die "nach der Aufgabe nicht zurückgekehrten" Flugzeuge im Jahre 1942 70 % von der Gesamtzahl der Kampfverluste entfielen, so sinkt dieser Wert im Jahre 1944 auf 25 %, 1945 auf 23% …