Der Bericht von S.W. Borsilow
Zum Glück der Historiker ist der Kampfweg des 6. mechanisierten Korps (4. und 7. Panzerdivisionen und 29. motorisierte Division) ein bißchen besser beleuchtet. Im Herzen des "GULAG-Archivs" blieb das Dokument: Der Bericht von Generalmajor S.W. Borsilow, Kommandeur der 7. Panzerdivision an die Hauptverwaltung der Panzertruppen der Roten Arbeiter- und Bauernarmee vom 4. August 1941 aufrechterhalten und wurde Ende der 80-er Jahre in der „Militärhistorischen Zeitschrift", Nr. 11/1988 veröffentlicht.
Über den Verfasser dieses Dokumentes sollte man zumindest ein paar Worte zusätzlich sagen. Semjön Wassiljewitsch Borsilow hätte am Anfang des sowjetisch-deutschen Krieges mit Recht als einer der erfahrensten und berühmtesten Kommandeure der Panzertruppen der Roten Armee gelten können. Während des Winterkrieges gegen Finnland befehligte der Brigadekommandeur Borsilow die 20. schwere Panzerbrigade, die "die Mannerheimlinie" im Raum der traurig berühmten "Höhe 65,5" durchbrach. Das Oberkommando der Roten Armee bewertete damals die Rolle der 20. Panzerbrigade und ihres Kommandeurs hoch. Der Titel des Helden der Sowjetunion wurde 21 Panzermännern, einschließlich Borsilow verliehen. Ohne daß die verbrecherische Art des von Stalin entfesselten Krieges irgendwie eindeutig verneint wird, ist es zuzugeben, dass die sowjetischen Panzersoldaten in diesem Krieg eine einzigartige Erfahrung im Durchbruch durch auf Dauer gebaute gegnerische Festigungen auf einem vollkommen „panzerfeindlichen" Gelände gewonnen haben.
Zum zweifellosen Verdienst des Kommandeurs der 20. schweren Panzerbrigade gehören auch sehr geringe personelle Verluste in seinem Verband. Nach drei Kampfmonaten unter den schwersten Natur- und Klimaverhältnissen verlor die 20. Panzerbrigade 169 Soldaten getötet und 338 verwundet. (8) Es ist gar nichts im Vergleich zu den Gesamtverlusten der Roten Armee in diesem beschämenden Stalinschen Abenteuer, die sich auf über 330 Tausend Menschen beliefen. (35)
Der Bericht von Borsilow, ungeachtet des kleinen Umfanges, enthält so viele wertvollste Informationen, dass er sehr aufmerksam gelesen werden muss:
1. Am 22. Juni 1941 war die Division mit Soldaten zu 98 Prozent, mit dem Unterführerpersonal zu 60 Prozent und Führerpersonal – 80 Prozent aufgestellt. Kriegsgerät: schwere Panzer – 51 Exemplare , mittlere Panzer – 150 Exemplare, BT-5-7 – 125 Exemplare, Т-26 - 42 Exemplare.
2. Versorgung der Division mit Rüstungsgütern am 22. Juni: 76 mm-Geschosse – 1 Munitionssatz, ( es gab keine 76mm- Panzergeschosse), 4mm-Geschosse - 1,5 Munitionssätze, Benzin B-70 und KB-70 – 3 Tankungen, Dieseltreibstoff – 1 Tankung.
3. Am 22. Juni erfüllten die Teile der Division den Kampfvorbereitungsplan weiter und lagen in Bereitstellung: (weiter folgt das Verzeichnis der Teile und Ortschaften südwestlich von Belostok M.S.) Über den vermutlichen Angriff der deutschen Armee war mir nichts bekannt, obwohl die Truppen kampfbereit waren.
4. Am 20. Juni 1941 hatte Korpskommandeur eine Beratung mit dem Oberkommando der Divisionen, in der die Aufgabe gestellt wurde, die Kampfbereitschaft zu erhöhen, d.h., es wurde befohlen, Geschosse und Magazine endgültig zu laden, in die Panzer zu legen, die Bewachung der Depots und der Lagerhäuser zu verstärken, die Gebiete, in denen die Truppen stationiert waren, auf Gefechtsalarm noch einmal zu prüfen, die Funkverbindung zum Korpsstab herzustellen. Wobei der Korpskommandeur verkündete, dass diese Maßnahmen ohne Lärm zu ergreifen sind, niemand davon zu benachrichtigen, die Schulung nach dem Plan weiterzuführen ist. Alle diese Anweisungen wurden rechtzeitig erfüllt.
5. Am 22. Juni um 2 Uhr wurde über einen Verbindungsdelegierten das Gefechtsalarmgeheimwort mit Öffnen "des roten Paketes" übermittelt (so nannte man in der Roten Armee ein Paket mit dem operativen Plan der Kampfhandlungen eines Truppenteiles oder Verbandes, zu dessen Öffnen der jeweilige Kommandeur nur auf Befehl des höhergestellten Kommandos berechtigt war). Nach 10 Minuten wurde für die Teile der Division Gefechtsalarm ausgelöst, und um 4:30 Uhr versammelten sich die Truppenteile der Division auf Gefechtsalarm auf einer Sammelstelle.
6. Kampfhandlungen der 7. Panzerdivision. Am 22. Juni 1941 führte die Division auf Befehl des Korpskommandeurs die Aufklärung auf der Warschauer Autobahn mit einem Aufklärungsbataillon in Richtung Westen durch. Die Aufklärung arbeitete gut. Außerdem hatte sie die Aufgabe, die Verbindung zu den Einheiten des 1 Schützenkorps wieder herzustellen. Am ersten Kriegstag hatte die Division bis 22.00 Uhr keine Aufgaben mehr.
7. Am 22. Juni um 22 Uhr bekam die Division den Befehl, in einen neuen Konzentrationspunkt – Station Walpa (östlich von Belostok) zu ziehen, und die nachfolgende Aufgabe: die Panzerdivision zu vernichten, die in den Raum Belostok eingedrungen war. Bei Ausführung des Befehls traf die Division auf Staus auf allen Straßen, die wegen eines ungeordneten Rückzuges des Hinterlandes der Armee aus Belostok verstopft wurden (ein Straßendienst funktionierte nicht).
Solange sich die Division auf dem Marsch und im Bereitstellungsraum von 4 Uhr bis 9 Uhr und von 11 Uhr bis 14 Uhr am 23. Juni befand, war sie die ganze Zeit den Luftangriffen der feindlichen Luftwaffe ausgesetzt. Im Laufe des Marsches und des Aufenthaltes im Konzentrationspunkt erlitt die Division bis 14 Uhr folgende Verluste: 63 zerstörte Panzer, das ganze Hinterland der Regimente wurde zerschlagen, besonders große Verluste hatte das Hinterland des 13. Regiments.
8. Im Raum Belsk befand sich keine feindliche Panzerdivision, gerade darum wurde die Division nicht eingesetzt. Es kamen neue Nachrichten: die feindliche Panzerdivision war zwischen Grodno und Sokulka durchgebrochen. Am 23. Juni um 14 Uhr bekam die Division eine neue Aufgabe –in Richtung Sokulka-Kusnitsa vorzustoßen, die Panzerdivision, die durchbrochen ist, zu vernichten und auf die Sammelstelle südlich von Grodno (ca. 140 km)vorzugehen. Bei Erfüllung dieser Aufgabe versammelte sich die Division am Vormittag des 24. Juni an der Angriffsstellung südlich von Sokulka und Staroje Dubno. Die Aufklärung stellte fest, dass sich dort keine feindlichen Panzerdivision sondern nur kleine Panzergruppen befanden, die mit der Infanterie und Kavallerie zusammenarbeiteten.
Am 24-25. Juni führte die Division den Befehl des Korpskommandeurs Marschalls Kulik aus und legte den Stoß: das 14. Panzerregiment - auf Staroje Dubno und weiter nach Grodno, das 13. Panzerregiment –auf Kusnitsa und weiter nach Grodno aus dem Westen, wo circa zwei Infanteriebataillone und circa zwei Artilleriebatterien vernichtet wurden. Nach Erfüllung der Aufgabe versammelten sich die Teile der Division im Raum Kusnitsa und Staroje Dubno, dabei verloren die Teile der Division 18 Panzer, die entweder verbrannt oder in Sümpfen steckengeblieben waren. Am 25-26. Juni führte die Division bis 21 Uhr einen Verteidigungskampf im Zusammenwirken mit der 29. Panzergrenadierdivision und 36. Kavalleriedivision (eine von der zwei Kavalleriedivisionen des 6 Kavalleriekorps). Vor der Front legten die Stöße das 128. Panzergrenadierregiment, die 29. Panzergrenadierdivision und die 36. Kavalleriedivision.
9. In den Teilen der Division gingen Treib- und Schmierstoffe zur Neige, die Betankung war wegen der fehlenden Tara und Hauptlager unmöglich. Allerdings gelang es, eine Tankung aus den abgebrannten Lagerhäusern von Kusnitsa und Krinki zu bekommen (jeder trieb Treib- und Schmierstoffe überhaupt auf, wie er konnte). Am 25. Juni kam am Ende des Tages der Befehl des Korpskommandeurs, sich hinter den Fluss Swislotsch zurückzuziehen, ausgeführt wurde dieser Befehl aber erst nach einem Sondersignal.
Nach vorläufigen Angaben zog sich die 4. Panzerdivision des 6. mechanisierten Korps in der Nacht zum 26. Juni hinter den Fluss Swislotsch zurück, wodurch die Flanke der 36. Kavalleriedivision geöffnet wurde. Am Ende des 26. Juni ging der Feind unter Einbeziehung der Reserve zur Offensive über. Um 21 Uhr begannen die Teile der 36. Kavalleriedivision und des 128. Panzergrenadierregiments der 29. Panzergrenadierdivision einen ungeordneten Rückzug. Ich ergriff Maßnahmen zur Wiederherstellung der Lage, aber erfolglos. Ich befahl, die sich zurückziehenden Truppenteile (die 29. Panzergrenadierdivision und die 36. Kavalleriedivision) im Raum Krinki zu decken, dann unternahm ich einen zweiten Versuch, die sich zurückziehenden Truppenteile zu stoppen, und es gelang mir, das 128. Panzergrenadierregiment zu stoppen (das ist kein feindliches, sondern unser Regiment aus dem Bestand des 6. mechanisierten Korps, das Borsilow zu stoppen versuchte - M.S.) und in der Nacht zum 27. Juni überschritt ich den Fluss Swislotsch östlich von Krinki (das war der Anfang des allgemeinen ungeordneten Rückzugs).
In dieser Zeit wurde die Verbindung zum Korpsstab unterbrochen. Ende des 27. Juni gelang es, die Verbindung an den Flußübergängen bei Wolkowysk wiederherzustellen. Die Teile der Division kämpften die ganze Zeit gegen die sie verfolgenden feindlichen Landungstruppen auf dem Gelände von Kusnitsa, Sokulka bis Slonim. Am 29. Juni um 11 Uhr zog ich mit dem restlichen Kriegsgerät (3 Panzer Т-34) und einer Abteilung der Infanterie und Kavallerie in die Wälder östlich von Slonim, wo ich am 29. und 30. Juni eine Schlacht führte. Am 30. Juni um 22 Uhr zog ich mit der Abteilung in die Wälder und weiter in die Sümpfe im Raum Pinsk auf der Strecke Bulka, Welitschkowitschi, Posoly, Station Staruschka, Gomel, Vjasma (800 km östlich von Belostok).
10. Das ganze Kriegsgerät wurde auf der vom Gegner besetzten Strecke Belostok - Slonim liegen gelassen. Lliegen gelassenes Kriegsgerät wurde unbrauchbar gemacht. Gerät wurde infolge der fehlenden Treib- und Schmierstoffe und Reparaturfonds liegen gelassen. Die Besatzungen gesellten sich zur sich zurückziehenden Infanterie".
So lautet "die kurze Geschichte“ der Zerschlagung des leistungsstärksten Panzerverbandes. Wir werden versuchen, den Atem zu holen und für den Anfang die einfachste, arithmetische Bilanz aus dem Gelesenen zu ziehen.
Am Anfang der Kampfhandlungen verfügte die 7. Panzerdivision über 368 Panzer, einschließlich - 200 modernster Panzer Т-34 und KW (d.h. mehr, als in allen Panzerdivisionen der Leningrader- und Baltischen Militärbezirke zusammen genommen). Bereits vor Anfang der ersten Luftangriffe der feindlichen Luftwaffe verließ die Division den Ort, wo sie immer gestanden hatte, und erlitt keine Verluste durch den "plötzlichen Angriff". Es sei in Klammern bemerkt, dass sogar am 19. März 1999 (d.h. 10 Jahre nach Veröffentlichung des Berichts von Borsilow) die Zeitung "der Rote Stern" über den ersten Kriegstag des 6. mechanisierten Korps in einem für sie üblichen Stil schrieb: "Panzer standen in Flammen. Nach einigem verzweifelten Umherlaufen traten Panzersoldaten, fast unbewaffnet (???) zusammen mit der Infanterie und Grenzsoldaten den Rückzug an…"
Tatsächlich verlor die 7. Panzerdivision " im Laufe des Marsches und des Aufenthaltes im Bereitstellungsraum" (laut Bericht von General Borsilow – durch die Luftangriffe der deutschen Luftfwaffe) 63 Panzer. Vergleichbare Verluste auf dem Vormarsch ins Ausgangsgebiet für die Offensive erlitt die 4. Panzerdivision des 6. mechanisierten Korps. So lautet der operative Bericht des Stabes der Westfront Nr. 08 (vom 27. Juni 1941, 20:00), dass sich die Division bis 18:00 Uhr am 24. Juni im Raum Lebezhany, Nowaja Mysch mit bis 20-26 % Verlusten, größtenteils bei leichten Panzern, versammelt hatte; schwere Panzer KW konnten laut Bericht sogar den Bombenvolltreffern standhalten. (186, S. 51)
Im Verlaufe des Gegenangriffes am 24-25. Juni kämpfte die 7. Panzerdivision gegen die feindliche Infanterie, deren Stärke zahlenmäßig unter einem Regiment lag (man kann vermuten, dass das 481. Infanterieregiment der 256. Infanteriedivision der Wehrmacht war, das wirklich am 24-25. Juni die Schlacht gegen sowjetische Panzer im Raum Kusnitsa führte), und verlor dabei nur 18 Panzer, wobei nicht alle von denen von der deutschen Panzerabwehrartillerie zerstört wurden, einige Panzer waren einfach, wie der Divisionskommandeur schreibt, in Sümpfen steckengeblieben.
Borsilow stellt in seinem Bericht nicht klar, welche Panzer verloren worden waren. Trotzdem, wenn man die reellen Möglichkeiten der deutschen Luftwaffe (siehe folgende Kapitel) und der Panzerabwehrartillerie deutscher Infanteriedivisionen (als auch der ihnen zugeteilten Sturmgeschützdivisionen, die mit 75 mm-Kurzrohrkanonen ausgestattet waren) sehr gut kennt, kann man vermuten, dass die Hauptstoßkraft der Division - neueste Panzer T-34 und KW - unversehrt blieben. In einem anderen Bericht (vom 28. Juli 1941) schreibt General Borsilow: "Beim Auftauchen unserer Panzer nahmen die feindlichen Panzer (tatsächlich waren das selbstfahrende Sturmgeschütze) den Kampf nicht an, und zogen sich hastig zurück … der Panzer Т-34 hält den Geschossen von 37 mm-Geschützen sehr gut stand, ganz zu schweigen von KW". (28, S. 118)
Rein arithmetisch gesehen, gelangen wir zum Schluß, dass in den Morgenstunden des 26. Juni in der 7. Panzerdivision noch 287 Panzer hätten bleiben sollen. Es ist nicht viel, sondern zu viel. Keine der 17 Panzerdivisionen der Wehrmacht verfügte am 22. Juni 1941 über so viele Panzer (eine deutsche Division hatte durchschnittlich 192 Panzer). Und drei Tage nach dem Rückzug praktisch ohne Kontakt mit dem Gegner (ganz mythische "Landungstruppen", die die sich zurückziehende Panzerdivision angeblich "verfolgt hatten" nicht mit eingerechnet) ist von der ganzen Division Borsilows eine Abteilung der Infanterie mit drei Panzern geblieben.
Auch der Verlauf der Kampfhandlungen der Division selbst verdient besondere Aufmerksamkeit. Zwei Tage vor dem berüchtigten "plötzlichen Angriff" wurde die Division in erhöhte Kampfbereitschaft versetzt.
Tatsächlich passierte im 6. mechanisierten Korps der Westfront das, was auch im 3. mechanisierten Korps der Nordwestfront passiert hatte, deren Oberbefehlshaber am 18. Juni befahl "die Teile in Kampfbereitschaft entsprechend den Plänen der Gefechtsalarmauslösung zu versetzen, aber den Gefechtsalarm selbst nicht auszulösen". Man kann sehr wahrscheinlich vermuten, dass beides kein Ergebnis "der Selbsttätigkeit" der Korpskommandeure (oder sogar der Oberbefehlshaber der Militärbezirke) war, sondern die Erfüllung der für die ganze Rote Armee einheitlichen Weisung des Oberkommandos darstellte.
Der Befehl, das "rote Paket" zu öffnen, kam 2 Stunden, BEVOR an der Grenze erste Geschützsalven dröhnten (es sei angemerkt, dass dieselbe Uhrzeit, zu welcher der Befehl zum Öffnen "des roten Paketes" einging,- 2 Uhr Nachts am 22. Juni – auch in vielen anderen Erinnerungen von Kommandeuren der Westfront erwähnt wird). Somit kann von einem "plötzlichen Anfang der Kampfhandlungen" in Bezug auf das 6. mechanisierte Korps gar keine Rede sein. Sehr bemerkenswert ist, dass das Oberkommando des 6. mechanisierten Korps bereits am Morgen des 22. Juni, ohne auf besondere Hinweise aus Moskau oder Minsk zu warten, Aufklärung "auf der Warschauer Autobahn in Richtung Westen" unternahm, - eine Tatsache, die einen weiteren Grund für die Vermutung darstellt, dass im "roten Paket" kein mythischer "Aggressionsabwehrplan", sondern der Plan der ersten Operationen zum Eindringen ins von Deutschen besetzte polnische Gebiet lag.
Den ganzen ersten Kriegstag stand die Division im Bereitstellungsraum still - und es ist ganz richtig. Die Hauptstoßkraft der Westfront sollte ohne krampfhafte Hastigkeit nach der sorgfältigen Aufklärung der feindlichen Stellungen, aufgrund eines durchdachten Vorgehensplans zum Einsatz kommen. Aber aufgrund falscher panischer Berichte wurde die 7. Panzerdivision bereits am Ende des ersten Kriegstages (um 22:00 Uhr am 22. Juni) vom Oberbefehlshaber der 10. Armee Golubew nach dem Süden zur Stadt Belsk für den Kampf gegen eine nicht existierende deutsche Panzerdivision abgedreht. Da es keine feindlichen Panzertruppen im Gebiet der 10. Armee einfach gab, konnte auch Borsilow sie nicht finden.
Weiter bekommt die Division am 23. Juni um 14 Uhr die Aufgabe, eine weitere mythische Panzerdivision des Gegners zu finden und zu vernichten, diesmal aber auf der direkt gegenüberliegenden Seite. Kilometerlange Kolonnen von Panzern, Zugmaschinen und Autos sind gewendet und von Belsk nach dem Norden in Richtung Sokulka-Kusnitsa vorgestoßen. Somit "kämpfte" die Division zwei erste Kriegstage gegen irrsinnige Befehle des Oberkommandos der 10. Armee und gegen den ungeordneten Rückzug des Hinterlandes der Armee, das alle Wege des "Belostok-Bogens" verstopfte.
Die Division von Borsilow nahm am geplanten Gegenstoß von KMG Boldin im Laufe zweier Tage (am 24. und 25. Juni) teil. Zu diesem Zeitpunkt überschritten Teile der 8. Infanteriedivision der Wehrmacht den Neman ans östliche Ufer und waren dabei, einen Angriff auf Skidel zu führen. Zur Linie Sokulka-Kusnitsa stießen führende Einheiten der 256. Infanteriedivision vor. So befanden sich im Raum des Gegenstoßes der 7. und 4. Panzerdivisionen des 6. mechanisierten Korps feindliche Infanterietruppen mit Gesamtstärke von nicht mehr als eine Infanteriedivision, die keinen Tag für die Errichtung einer ausgerüsteten Panzerabwehrstellung hatten.
Wie der Kampf im Raum Staroje Dubno-Kusnitsa (nämlich der einzige Kampf in der kurzen Geschichte der 7. Panzerdivision) vonstatten ging, wurde im Bericht von Borsilow so gut, wie nicht erwähnt. Der Sinn der Aussage "nach Erfüllung der Aufgabe haben sich Teile der Division im Raum Kusnitsa und Staroje Dubno versammelt" ist schwer zu verstehen (genauer gesagt - unmöglich zu verstehen). Die nächste Aufgabe war die Eroberung von Grodno, dann - der Ausbruch zu den Flußübergängen am Neman bei Merkine. Dieselbe Aufgabe erfüllte auch die 4. Panzerdivision, die auf Grodno aus dem Raum Indura vorstieß. Wenn die 7. Panzerdivision nach dem Kampf nicht in Grodno, sondern im Ausgangsgebiet Kusnitsa-Staroje Dubno war, kann von keiner "Erfüllung der Aufgabe" die Rede sein.
Ausgehend von der vernünftigen Logik, hätte der Begegnungskampf zwischen der deutschen Infanterie und zwei Panzerdivisionen, die über mehr als 300 Panzer T-34 und KW verfügten, mit der vollen Vernichtung der Verteidiger (oder mit ihrer panischen Flucht nach Grodno und weiter hinter den Neman) enden müssen. Wenn wir vermuten, dass es das Oberkommando der Heeresgruppe "Mitte" sich schlau machte und in den Raum des Gegenstoßes des 6. mechanisierten Korps blitzschnell einige Hunderte 88-mm Flaks und 105 mm-Ferngeschütze zusammenzog (diese Vermutung ist offensichtlich absurd), dann hätten die Deutschen nur theoretisch die Chance bekommen können, den Großteil der Panzer aus der Division Borsilows zu zerstören. In der Wirklichkeit ist beides nicht geschehen: im Laufe zweier Kampftage verlor die 7. Panzerdivision 18 Panzer, die vom Feind zerstört und in den Sümpfen versenkt wurden (d.h. nicht mehr als 6 % von der Gesamtzahl), wonach sie die Angriffe einstellte und in die Ausgangsstellungen zurückkehrte.
Anfang des Unterganges der 7. Panzerdivision war der Befehl, sich hinter den Fluss Swislotsch zurückzuziehen, der am späten Abend am 25. Juni kam. Dieser Befehl (wahrscheinlich der letzte Befehl in seinem Leben) wurde vom Kommandeur des 6. mechanisierten Korps Generalmajor Hatskilewitsch in Erfüllung der Anweisung des Oberbefehlshabers der Westfront Pawlow erteilt, der am 25. Juni um 16 Uhr, 45 Minuten aufgrund der Anweisungen der Stawka (Stalins Oberkommando) und dessen Vertreters im Stab der Westfront Marschall Schaposchnikow an die Truppen eine Weisung über den allgemeinen Rückzug zur Linie des Flusses Schtschara (80-90 km östlich vom Fluß Swislotsch) übersendet hatte. Ausgerechnet nach dem Zugang des Rückzugsbefehls kommen im Bericht von Borsilow folgende Aussagen vor:
" Die Teile traten einen ungeordneten Rückzug an... machte einen zweiten Versuch, die sich zurückziehenden Teile zu stoppen … Anfang des allgemeinen ungeordneten Rückzugs …". Im Ergebnis verwandelte sich die am besten ausgestattete Panzerdivision der Roten Armee im Laufe "des ungeordneten Rückzuges" in eine Infanterieabteilung mit drei Panzern.
Übrigens, ist im Bericht von Borsilow auch eine (auf den ersten Blick) objektive Ursache für die Zerschlagung der Division und den Verlust von fast dreihundert Panzern angegeben: "fehlende Kraft- und Schmierstoffe". Es könnte der Eindruck entstehen, da gäbe es hier über nichts zu streiten. Es gibt keinen Brennstoff - es gibt auch keine kampffähige Panzerdivision. Aber wollen wir bei allem Respekt gegenüber dem Gedenken an den gefallenen General keine übereilten Schlussfolgerungen ziehen, sondern für den Anfang einen Rechner in die Hand nehmen.
Eine Betankung mit Dieselbrennstoff war in der Division vor Beginn der Kampfhandlungen erfolgt. Eine weitere Betankung erfolgte schon im Laufe der Kämpfe. Insgesamt - zwei Betankungen. Es gab drei Betankungen mit Benzin und mehr. Jetzt werden wir "die Betankungen" in die für alle verständlichen Kilometer umrechnen. Der Fahrbereich des meist veralteten Panzer T-26 aus dem Bestand der 7. Division nach einer Betankung betrug 170 km. Drei Betankungen – fünfhundert Kilometer. Der leistungsstärkste und modernste KV hatte dieselben 180 km (es ist schwer, 50 Tonnen Stahl zu schleppen). Zwei Betankungen für den Dieselpanzer KV ergeben 360 km. Der Fahrbereich der schnellen Panzertransportwagen und mittleren Panzer Т-34 nach einer Betankung betrug 300 und mehr Kilometer. Tatsächlich legte die 7. Panzerdivision, solange sie auf der Strecke Belostok-Be'sk-Sokulka-Wolkowysk-Slonim ungeordnet umherirrte, im Laufe der ganzen Zeit vom 22. bis zum 29. Juni eine bei weitem nicht mehr als 250 km lange Strecke zurück. Dabei war es unmöglich, die ganze Technik "infolge der fehlenden Kraft- und Schmierstoffe" liegen zu lassen.
Außerdem war das Gebiet des "Belostoker Frontbogens" buchstäblich voll von Lagerhäusern mit Brennstoff und Munition. Am Vorabend des Krieges waren im Gebiet des Westlichen Militärbezirks kolossale Brennstoffvorräte – 264 Tausend Tonnen konzentriert. (68, S. 351). Unmittelbar im Bereich der "Wanderungen" des 6. mechanisierten Korps befanden sich 12 (zwölf) stationäre Lagerhäuser mit Brennstoff. Und zwar: 920 und 1040 (Belostok), 925 und 1038 (Bel'sk), 923 und 1019 (Myunki), 919 und 1020 (Grodno), 929 und 1033 (Mosty), 922 und 1044 (Wolkowysk). Die Distanz zwischen diesen Lagerhäusern betrug nicht mehr als 60-80 km (nicht mehr als zwei Fahrstunden auf einem kaputten Feldweg). Für den Brennstofftransport standen im 6. mechanisierten Korps 220 Tankwagen auf Basis der dreiachsigen LKWs mit Allradantrieb ZIS-6 zur Verfügung (Fassungsvermögen des Tankwagens 3200 Liter).
Das vollständig zusammengstellte mechanisierte Korps brauchte auf 500 Marschkilometer 1,2 Tausend Tonnen Brennstoff. Mit anderen Worten hätte das 6. mechanisierte Korps mit einem Zehntel der Brennstoffvorräte, die sich neben den liegen gelassenen Panzern befanden, von Belostok bis Wladiwostok fahren können. Der Brennstoff, der dem 6. mechanisierten Korps angeblich fehlte, um sich nach dem Osten organisiert zurückzuziehen, reichte … dem stürmisch angreifenden Feind zur Genüge. Der Chef des Generalstabes der Wehrmacht F. Halder stellte in der Notiz vom 1. Juli fest, dass "etwa ein Drittel des Brennstoffverbrauchs von den erbeuteten Vorräten abgedeckt wurde ". In absoluten Zahlen bedeutet es, dass die Deutschen jeden Tag durchschnittlich je 2.900 Tonnen Brennstoff in theoretisch ihnen nicht bekannten und theoretisch „beim Rückzug vernichteten“ sowjetischen Lagerhäusern „bekamen“. Allein diese Brennstoffmenge hätte für alle Panzerdivisionen der Westfront ausreichen können, um aus dem "Belostoker Kessel" auszubrechen. Und zwar zusammen mit Panzern, und nicht in vereinzelten Gruppen in die Wälder zerstreuen.
Auch wenn der Brennstoffvorrat eines Panzers voll zur Neige gegangen ist, bleibt der Panzer eine mächtige Waffe, besonders wenn es sich dabei um einen schwereren Panzer KV handelt. Besonders, wenn die Kämpfe in westlichem Weißrussland geschlagen werden. Wenige Autobahnen des "Belostoker Frontbogens" sahen "Schluchten in den Bergen" ähnlich. Ein paar Schritte vom Straßenrand entfernt befand sich entweder ein hundertjähriger undurchdringlicher Wald oder ein Sumpf. Es ist nicht einmal möglich, solch ein Hindernis auf diesen "Felsschluchtwegen" mit einem Motorrad zu umfahren, geschweige denn von einem Auto oder Pferdefuhrwerk. Und es bedeutet, dass 50 Panzer KV aus der Division von Borsilow, die an Straßenkreuzungen vergraben wurden, jedes Vordringen der deutschen Truppen für eine lange Zeit verhindern konnten: Ein Umweg ist unmöglich, die starke Panzerung kann keine im Bestand der Infanteriedivision befindliche Waffe durchschlagen, die Bewaffnung des Panzers selbst (76-mm Langrohrkanone) kann ein beliebiges Ziel zerstören (Fahrzeug, Artilleriezugmaschine, Schützenpanzerwagen, Panzer), das auf einem Kriegsweg im Juni 41 auftauchen konnte
Was die Geschichte der 4. Panzerdivision des 6. mechanisierten Korps betrifft, ist sie immer noch geheimnisumhüllt. Die Dokumente sind verloren. Der Divisionskommandeur, Generalmajor Potaturtschew, ging in die Gefangenschaft und starb schon nach dem Kriegsende, in Juli 1947 in einem NKWD-Gefängnis. Die Dokumente der Untersuchung wurden nie veröffentlicht. Keiner der Kommandeure der 4. Panzerdivision, die den Krieg überlebt haben, hat Memoiren hinterlassen. Die einzige dem Autor bekannte Beschreibung "der Kampfhandlungen“ dieser Division ist der folgende Auszug aus den Erinnerungen von S.A. Afanasjew, dem Panzersoldaten des 8. Panzerregiments der 4. Panzerdivision:
"… am Morgen am 23. Juni hat uns die deutsche Luftwaffe beschossen. Wir hatten die neuesten Panzer, alle Т-34 und KV ohne Ausnahme. Wir verbargen uns in Wäldern. Damals Zeit befehligte noch Hauptmann Rassadnew unser Bataillon, aber seit Mittag des 23. Juni sah ich ihn nicht mehr, weil wir an diesem Tag mehrmals auseinanderliefen, jeder in seine Richtung … Wir zogen uns durch Wälder, Sümpfe, unwegsame Gelände zurück, weil alle guten Wege von Deutschen besetzt gehalten wurden. Wir räumten Wolkowysk, Slonim, Baranowitschi … In Berührung mit dem Feind kamen wir nicht einmal. Es scheint mir, dass die Panik von Offizieren selbst verbreitet wurde. Sie rissen seine Dienstabzeichen vor allen Soldaten von sich ab... So hätten wir schon fast Smolensk erreicht und ließen dort auch viel Technik liegen! Alle liefen, und Technik und Bewaffnung (Panzer, Kanonen) wurden liegen gelassen. Ich kann nicht sagen, wo die Kämpfe geschlagen wurden, weil es sie so gut, wie nicht gab. Auf unserer Strecke brachen wir nur in einer Nacht durch deutsche Landungstruppen durch. Es war bei Slonim oder Stolbtsy..." (165, S. 260)
Also ging der nicht angefangene Gegenangriff des mächtigsten mechanisierten Korps der Roten Armee so ergebnislos und unerklärbar zu Ende. Tausend Panzer, darunter - vierhundert neueste Panzer, die besten in der Welt Panzer KV und T-34 konnten die Defensive der zwei führenden Wehrmachtspitzen (Infanteriedivisionen 8. und 256.) nicht durchbrechen und verschwanden ruhmlos im Dickicht der finsteren Wälder Westweißrusslands.