Panzerschwund

         So endete mit totaler Niederlage und Zerschlagung „die Panzerschlacht in der Westukraine“, der größte Kampf der ersten Kriegswochen. Man soll vermuten, dass als die Deutschen alle an den Straßenrändern zurückgelassenen Panzer, Panzerfahrzeuge, Haubitzen, Motorräder zusammengesucht und aufgezählt hatten, verstanden sie, WAS ihnen gedroht hatte…   

        Der moderne Historiker ist in einer schwierigeren Lage. Es gibt diese Panzer nicht mehr – was in Siemens-Martin-Öfen Deutschlands nicht verschmolzen wurde, wurde nach dem Kriegsende in den Werken von Ural und Saporozhje verschmolzen. Es ist unmöglich, genau und bedingungslos den Grund festzustellen, aus dem jeder von fünftausend Panzern der Südwestfront verloren wurde. Immerhin lassen sogar wenige zugängliche Dokumente eine völlig argumentierte Hypothese über die Gründe der nie dagewesenen Niederalge formulieren. 

 

           Da die Geschichte der Zerschlagung des 15. mechanisierten Korps am besten dokumentiert ist, so beginnen wir damit das Erlernen des phänomenalen „Panzerschwunds“, von dem die Truppen der Südwestfront Ende Juni 1941 betroffen waren.  Der Korps hatte zwei Panzerdivisionen: die 10. und die 37. Die Verluste der 10. Panzerdivision im Kampf am 23. Juni und in weiteren Auseinandersetzungen mit dem Feind wurden in den Berichten des Divisionskommandeurs und Korpskommandeurs detailliert, an jedem Tag und in jedem Kampf beschrieben.  (28, S. 193-213 und 29, S. 253-275).  Was die 37. Panzerdivision angeht, so hatte sie bis zum 28. Juni gar keinen „Kampfkontakt“ zum Feind ebenso wie Verluste durch die feindliche Luftwaffe. Fassen wir alle bekannten Informationen in zwei Tabellen zusammen:

 

Die 10. Panzerdivision

ÊV

Ò-34

Ò-28

BÒ-7

Ò-26

Insgesamt :

Bestand der Division zum Stand am 22. Juni

63

38

51

181

30

363

davon in gutem Zustand und sind ins Feld gerückt

63

37

44

147

27

318

Kampfverluste vom 22. – 26. Juni

13

6

0

32

  2 ( ?)

53

tatsächlicher Bestand am Tagesende am 26. Juni

10

5

4

20

0

39

                        ???            

40

26

40

95

25

226

 

 

          Die 37. Panzerdivision

   ÊW

  Ò-34

  BÒ-7

  Ò-26

  Insgesamt:

Bestand der Division zum Stand am 22. Juni

    1

  34

  258

   23

   316

davon in gutem Zustand und sind ins Feld gerückt

    1

    0

    15

   10

     26

Kampfverluste vom 22. – 26. Juni

    0

    0

      0

     0

       0

tatsächlicher Bestand am Tagesende am 26. Juni

    0         

  29

  185

     7

   221

                        ???            

 

   5

    58

     6

     69

 

         Also die stärkste Division im 15. mechanisierten Korps (die zu den Divisionen mit der besten Ausstattung und am besten ausgebildeten Personal in der ganzen Roten Armee gehörte) Die 10. Panzerdivision verwandelte sich in 5 Tagen in ein ziemlich schwer angeschlagenes Panzerbataillon!

Von 318 funktionsfähigen Panzern zum Stand am 22. Juni blieben am Ende des 26. Juni nur 39 kampfbereit. Die Verluste derunbekannten Herkunftbetrugen 226 Panzer. Nach fünf Tagen. Auch wenn man vermutet, dass im Bericht des Divisionskommandeurs manche Kampfverluste im Verlauf der episodischen Auseinandersetzungen mit deutschen Bodentruppen ausgelassen sind, so erklärt diese Ungenauigkeit keinesfalls die Differenz zwischen der Zahl der Kampfverluste (53 Panzer) und Gesamtverluste (279 Panzer). Besonders beeindruckend ist die Dynamik und Struktur der Verluste der dreitürmigen Ò-28, die leise verschwinden, wahrscheinlich ohne einen einzigen Schuss auf den Gegner abgefeuert zu haben. Wenn wir dem Bericht glauben, waren die 48-Tonnen-KV mit ihrer 75-mm-Panzerung leichten BT-7  und Ò-26 mit ihrer kugelsicheren Panzerung an der Kampfslebensfähigkeit  nicht überlegen, was zumindest merkwürdig ist. Und am erstaunlichsten ist, dass diese schreienden Fakten weder im Bericht der Person, die den Divisionskommandeur vorübergehend im Amt vertritt, noch im Bericht der Person, die den Korpskommandeur vorübergehend im Amt vertritt, irgendwie kommentiert werden!

         In der 37. Panzerdivision ging es bis zum 28. Juni bedeutend besser. 221 Panzer (von 316) sind bereit, in den Kampf zu treten.

Weitere 26 warten am ständigen Standort der Division in der Stadt Kremenets, bis sie an der Reihe sind.  Drei Viertel von der Gesamtzahl der „hoffnungslos veralteten“ BT-7 hielten mehrtägiges sinnloses Umherwandern auf Waldwegen erfolgreich durch, und sind laut dem Bericht des Divisionskommandeurs noch funktionsfähig.  Es ist unbekannt, wo „lediglich“ 69 Panzer verschwunden sind.

        Die Verluste der 10. Panzerdivision im Kampf am 28. Juni sind konkret angegeben: 1 ÊV, 1 Ò-34, 7 BÒ-7. Ab Morgen am 29. Juni wurde das 15. mechanisierte Korps in die „Frontreserve“ gebracht, das einen ununterbrochenen Rückzug zum Dnepr bedeutete. Der Zustand des Panzerparks des 15. mechanisierten Korps am 6-8 Juli sah wie folgt aus:

 

                   Die 10. Panzerdivision

   ÊV

  Ò-34

  Ò-28

  BÒ-7

  Ò-26

Insgesamt:

  Tatsächlicher Bestand am Ende des 26. Juni

   10

     5

     4

    20

    0

    39

  Kampfverluste am 28. Juni

     1

     1

     0

      7

    0

      9

  Tatsächlicher Bestand am 6. Juli

     2

     3

     1

    12

  2 (?)

    20

 

        Als der Bericht der Person, die den Kommandeur der 10. Panzerdivision vorübergehend im Amt vertritt, unterschrieben wurde, gab es schon keine Panzer in der Division. Keinen einzigen. Das ist im Wortlaut des Berichts ausdrücklich erwähnt. (28, S. 211) Im Bericht gibt es auch eine Tabelle mit der „Erläuterung“ der Gründe für die Panzerverluste. Das erste, was auffällt, ist das riesige „Angebot“ an Gründen. Statt einer klaren und deutlichen Klassifikation:

- durch die feindliche Einwirkung verloren (vom Gegner zerstört)

- ohne feindliche Einwirkung aus technischen Gründen verloren (kaputt gegangen)

- zurückgelassen

haben die Verfasser des Berichts 10 hochgeschraubt formulierte Arten der Gründe ausgedacht:

1 ) auf dem Kampffeld zerstört und verbrannt           

2 ) bei der Erfüllung der Kampfaufgabe ausgefallen und im vom Gegner besetzten Gebiet zurückgelassen

3 ) mit den Besatzungen vom Kampffeld nach dem Angriff nicht zurückgekehrt

4 ) durch Bombenangriffe verbrannt (betonen wir sofort, dass dieser Kategorie nur EIN Panzer BT-7 zugeordnet ist)

5 ) mit den Besatzungen in der feindlichen Einkesselung wegen technischer Störungen oder fehlenden Kraft- und Schmierstoffs zurückgelassen

6 ) wegen fehlendem Kraft- und Schmierstoff oder der Unmöglichkeit, ihn zu liefern, zurückgelassen, weil der Abschnitt vom Gegner besetzt wurde

7 ) mit den Besatzungen verschollen

8 ) in den Sammelstellen für ausgefallene Fahrzeuge zerstört weil die Evakuierung beim Rückzug nicht möglich war

9 ) beim Rückzug wegen technischen Störungen und der fehlenden Renovierungs- und Evakuierungsmöglichkeit zurückgelassen 

10) an den Hindernissen stecken geblieben, Abtransport und Evakuierung nicht möglich

          Zu den Verlusten durch feindliche Einwirkung gehören offensichtlich nur Punkte 1 und 4. Die konkrete Bedeutung der Punkte 2 und 3 ist nicht klar. Wenn ein Panzer nicht „durch einen Bombenangriff verbrannt“ (Punkt 4) und nicht „auf dem Kampffeld zerstört und verbrannt“ ist (Punkt 1), aus welchem anderen Grund „konnte er mit den Besatzungen vom Kampffeld nach dem Angriff nicht zurückkehren“? Der Panzer ist doch kein Langstreckenbombenflugzeug, das ins feindliche Hinterland geflogen ist und  niemand hat es wiedergesehen… Und wie kann man den Punkt 2 verstehen? Streng genommen, konnte man ab Morgen am 22. Juni alle Panzerverluste der Gruppe „bei der Erfüllung der Kampfaufgabe ausgefallen“ zuordnen, und nach dem schnellen (an manchen Tagen vom Juli – je 150-200 km pro Tag) Rückzug nach Osten blieben Panzer alle ohne Ausnahme „im vom Gegner besetzten Gebiet“. Wir müssen die Tatsache nicht vergessen, dass dieser Bericht Ende Juli 1941 geschrieben wurde, Hunderte Kilometer vom Ort des Geschehens entfernt, unter den Bedingungen, die die Besichtigung der verlorenen Panzer sowie die Prüfung der Glaubwürdigkeit der angegebenen Gründe für den Schwund von dreihundert Panzern total ausschließen… 

      Wahrscheinlich, damit die Statistik irgendwelchen klaren Sinn hat, muss man Punkte 1 und 4  („Kampfverluste“), Punkte 2 und 3 („vermutliche Kampfverluste“), Punkte 4-10 („ohne feindliche Einwirkung“) vereinigen. In diesem Fall sieht das Bild so aus:

 

                   Die 10. Panzerdivision

   ÊV

  Ò-34

  Ò-28

  BÒ-7

  Ò-26

Insgesamt:

funktionsfähig und am 22. Juni ins Feld gerückt

   63

   37

   44

  147

   27

  318

Kampfverluste

   11

   20

     4

    54

    7

    96

vermutliche Kampfverluste

   11

     4

     4

      5

    5

    29

Ohne feindliche Einwirkung

   34

     8

   36

    41

   12

  131

                        ???            

     7

     5

     0

    47

     3

    62

 

       Also zwei Drittel der Panzer, die am Abend des 22. Juni noch ganz funktionsfähig waren, wurden ohne feindliche Einwirkung verloren.

Insdesondere 41 undurchschlagbare KV von den vorhandenen 63. Und schließlich war für die Erklärung der Gründe für die Verluste von 62 Panzern (und das war eine Panzerbrigade gemäß Personalstärke des Herbstes 1941) keine der 10 schlauen Formulierungen geeignet.

Diese wurden von den Verfassern des Berichts einfach und kurz verschwiegen.

        Die Panzer der 37. Panzerdivision verschwanden fast vollständig beim Rückzug. Über die Panzerverluste im einzigen Kampf bei Stanislawtschik gibt es keine genauen Angaben, aber der oben angeführten Kampfbeschreibung zufolge verlor die Division nicht mehr als 10-20 Panzer. Danach verringerte sich die Anzahl der Panzer von zweihundert auf 14 aus „unbekannten Gründen“. Insgesamt, sind 80% der Panzer in der 37. Panzerdivision verloren, keiner weiß, wo und wie.  

 

              die 37. Panzerdivision

Ò-34

BÒ-7

Ò-26

Insgesamt:

  tatsächlicher Bestand am Ende des 26. Juni

29

185

7

221

  Kampfverluste am 28. Juni

 

 

 

20 (?)

  tatsächlicher Bestand am 6-8 Juli

2

12

0

14

???

27

173

7

187

 

          Die größte Anzahl der Panzer (einschließlich der neuesten KW und Ò-34) an der Südwestfront hatte das 4. mechanisierte Korps. Im Korpsbestand gab es zwei Panzerdivisionen: die 8. und die 32.

           An den ersten zwei Kriegstagen wanderte die 8. Panzerdivision mit dem ganzen 4. mechanisierten Korps im Raum Jaworow-Nemirow umher,  wo im Verlaufe der Auseinandersetzungen mit deutschen Bodentruppen 19 Panzer Ò-34 verloren wurden. Über die Verluste anderer Panzertypen wurde im Bericht des Divisionskommandeurs nichts gesagt, aber die Division wurde dem Kommandeur des 15. mechanisierten Korps unterstellt, als sie 65 Panzer im Bestand hatte. Aber wo blieben in diesem Augenblick die übrigen 240 Panzer einer der stärksten Panzerdivisionen der Roten Armee? Im Kampf am 28. Juni im Raum Toporuw – Lopatin verlor die 8. Panzerdivision 12 Panzer. Danach kamen der Rückzug und die Teilnahme einer Panzergruppe der 8. Panzerdivision am mehrtägigen Kampf bei Berditschew. Der Kommandeur der 8. Panzerdivision Oberst Petr Semenowitsch Fottschenkow fiel im August 1941 im „Kessel bei Uman“. Zu dieser Zeit gab es schon keine Division als Panzerverband. Aber es blieb ein Bericht übrig, der vom Kommandeur der 8. Panzerdivision verfaßt wurde und eine ausführliche und umfassende Antwort auf die oben gestellten Fragen enthält. Außergewöhnlich ist die Kühnheit der Verfasser des Dokuments, die ohne Umschweife den Begriff „zurückgelassen“ verwenden. Der Bequemlichkeit halber fassen wir alle Angaben des Berichts in einer Tabelle zusammen: (152, S. 246)

 

 

     ÊW

     Ò-34

   Ò-28

 BÒ- 7

  Ò-26

   Insgesamt

ursprüngliche Anzahl zum Stand am 22.06.1941.

     50

    140

      68

   31

   36

   325

zerstört

     13

      54

      10

    2

    6

     85

zurückgelassen, verschollen, in Sümpfen stecken geblieben, sonstiges

     27

      51

      27

   15

   15

   135

ins Werk geschickt, Fahrstunden absolviert

      8

      32

        0

     3

     5

     48

 arithmetischer Rest                                                  

      2

        3

      31

   11

    10

     57

 

        Also waren die wichtigsten Bestandteile der Panzerverluste in einer der besten Divisionen der Roten Armee: "zurückgelassene" (107 Stück), "vermisste" (10 Stück), "in Sümpfen stecken gebliebene" (6 Stück), und etwas ganz Unbestimmtes „sonstige“ (12 Stück), insgesamt 135 Panzer. Es gibt keine deutliche Antwort auf die Frage, wohin verschwand der arithmetische Rest aus 31 Panzern Ò-28 (die Panzer dieses Typs fehlten schon im Bericht der Auto- und Panzerverwaltung der Front vom 15-17 Juli). Und sogar der Rest aus 57 Panzern existiert nur leider arithmetisch – am 7. Juli, zählte man zu Beginn der Kämpfe um Berdittschew in der 8. Panzerdivision nur 32 Panzer… Vor dem Hintergrund dieser „Ordnung in der Panzertruppen“ denkt man unwillkürlich an die Glaubwürdigkeit der Angaben über 54 im Laufe von zwei Kampfwochen zerstörte Ò-34, die für die 37-mm-Panzerabwehrkanonen der deutschen Infanteriedivisionen fast unverletzbar waren. Diese Zahl (54 zerstörte Panzer von 140 Ò-34) sieht im Vergleich zu der bedeutend geringeren Zahl (sowohl absolut, als auch relativ) der zerstörten BT-7 und Ò-26 mit ihrer leichten kugelsicheren Panzerung sehr komisch aus …

         Ähnlich war die Situation mit den Panzerverlusten in der 3. Panzerdivision des 4. mechanisierten  Korps. Es existiert ein ausführlicher Bericht des Kommandeurs der 32. Panzerdivision Obersten E.G. Puschkin über die Kampfhandlungen der Division. (28, S. 181-192) Aus der Summierung der Verluste, die die Division in den Kämpfen gegen die deutsche Infanterie zwischen dem 23. bis zum 29. Juni erlitt, ergibt sich eine Zahl von 23 Panzern. Weitere 11 Panzer verloren zwei Panzerbataillone, die am Abend des 22. Juni in den Raum Radechow verschoben wurden, wo tagsüber am 23. Juni ein Kampf gegen die Truppen der 11. deutschen Panzerdivision geschlagen wurde. Insgesamt betrugen die Kampfverluste 34 Panzer. Nach diesen Kämpfen begann der Rückzug hinter den Dnjepr, in dessen Laufe die 32. Panzerdivision einzelne Auseinandersetzungen mit den sie verfolgenden Spitzentruppen der deutschen motorisierten Teile hatte. Die konkrete Zahl der Verluste in diesen Auseinandersetzungen wurde im Bericht des Obersten Puschkin nur einmal genannt:

"…10.7.41. Die Panzergruppe des Hauptmanns Karpow (10 Panzer und 2 Panzerfahrzeuge) konzentrierte sich bei Bejzimowka und griff den Gegner um 20 Uhr in Richtung Olschanka an, zog sich aber ohne Unterstützung der Infanterie zurück und bezog Verteidigungsstellungen 300-400 m südlicher von Olschanka. Im Laufe des nächsten Tages führte die Gruppe einen schwierigen Kampf in demselben Gebiet und wurde infolge der Flucht des 32. Moto- und Schützenregiments von der Front außer einem einzigen Panzer vernichtet und auf dem Kampffeld zurückgelassen…" (28, S. 185)

         Also wurden 43 Panzer „namentlich“ im Kampf verloren. Man kann vermuten, dass irgendwelche, mit der genannten Zahl vergleichbare Verlustzahl in der Beschreibung der Divisionskampfhandlungen nicht erwähnt wurde. Aber in der dem Bericht beigefügten „zusammengefaßten Kriegsgerätliste“ stehen ganz andere Verlustzahlen. Insgesamt wurden 269 Panzer verloren (37 ÊV, 146 Ò-34, 28 BÒ-7, 58 Ò-26).

          Übrigens decken sich sogar diese phänomenalen Verlustzahlen der undurchschlagbaren Panzer nicht mit dem vorhandenen Rest. Eine einfache Arithmetik zeigt, dass sogar nach den Verlusten von 37 KVs in der 32. Panzerdivision noch 12 solche Panzer übrig bleiben mussten. Aber im am 15. Juli 1941 vom Chef der Fahrzeug- und Panzerverwaltung der Südwestfront unterschriebenen Bericht „Über den Zustand und das Vorliegen des Kriegsgerät der mechanisierten Korps der Front“ wurde gesagt, dass im ganzen 4. mechanisierten Korps (und nicht nur in einer einzigen 32. Panzerdivision!) nur 6 Panzer KV übrig geblieben sind. (29, S. 89)

         Davon, dass der Großteil der Verluste nicht durch die feindliche Einwirkung verursacht ist, zeugt das Verhältnis zwischen den personellen Verlusten und den Verlusten der Kampftechnik. So verlor das 63. Panzerregiment dieser Division dem Bericht des Kommandeurs der 32. Panzerdivision zufolge zwischen dem 22. und dem 30 Juli 1941 17 Menschen tot und 63 verwundet. Zugleich wurden 145 gepanzerte Fahrzeuge verloren (14 ÊV, 61 Ò-34, 42 Ò-26, 19 Ò-37, 9 BÀ-10). (28,  S. 190)  Um diese Zahlen zu verstehen, muss man sich daran erinnern, dass das Personal eines Panzerregiments nicht nur aus Panzerbesatzungen besteht, dementsprechend machen die Panzersoldaten nur einen Teil der oben angegebenen Zahl der Menschenverluste aus… 

 

         Die Dokumente, die die Feststellung und eine detaillierte Beschreibung des phänomenalen „Panzerschwundes“ ermöglichen, von dem die Rote Armee an den ersten Kriegstagen betroffen war,  wurden vor mehr als 40 Jahren freigegeben. Das Exemplar des „Sammelbandes der Kriegsdokumente des Großen Vaterländischen Krieges Nr.35“, mit dem ich gearbeitet habe (und dem die meisten Informationen, die in den vorhergehenden Kapiteln angeführt sind, entnommen wurden) ist mit einem blauen Stempel versehen: "Freigegeben. Weisung des Generalstabs Nr.203995 vom 30.11.65 "

        Aber in unserem Land ist freigeben und zugänglich machen nicht dasselbe. Der so genannten „breiten Öffentlichkeit“ sind diese Dokumente tatsächlich bis heute nicht bekannt (und ehrlich gesagt unzugänglich). Interessant ist aber folgendes – die so genannten sowjetischen „Historiker“ begannen sich  frühzeitig auf den Zeitpunkt vorzubereiten, in dem bei Tauwetter das herauskommt, was beim Schnee verborgen worden ist. In Hunderten Büchern und Artikeln haben sie schon der „Stadt und Welt“ erklärt, dass sowjetische Panzer mit äußerst unzuverlässig, primitiv, abgenutzt und mit verschlissenen Motoren ausgestattet waren… Und gerade deswegen fielen sie während der Fahrt an den ersten Kriegstagen auseinander … 

         Leider mache ich keinen Spaß. In den Ausgaben, die darauf Anspruch haben, wissenschaftlich solide zu sein, wurde im Laufe von 4 Jahrzehnten ein Mythos davon vervielfältigt, dass „zu Kriegsbeginn drei Viertel der Panzer reparaturbedürftig waren“, dabei bedarfen entweder 29% oder 44 % einer „Generalreparatur“.  Es ist traurig, aber die Verfasser solch einer Ansehen genießenden statistischen Studie wie „Geheimhaltungsvermerk gelöscht“, schämten sich nicht, den Lesern mitzuteilen, dass von 14,2 Tausend sowjetischer Panzer, die am 22. Juni 1941 in der bestehenden Armee waren, „3,8 Tausend vollständig kampfbereit waren“. (35, S. 345)

Aus den Werken der sowjetischen „Historiker“ wurde dieser Unsinn in Monografien anderer westlicher „Forscher“ (zum Beispiel des traurig bekannten amerikanischen Obersten David Glanz) übernommen und kam schon als „ein hochwertiges Importiertes Produkt“ auf Bücherregale russischer Geschäfte zurück …

         Dabei sind reelle Angaben über den technischen Zustand des Panzerparks der Roten Armee mindestens seit November 1993 bekannt (ab dem Tag der bekannten Veröffentlichung von N. Solotov und S. Issaew „Waren kampfbereit“ in der Ausgabe Nr.11 der „Militär-historischen Zeitschrift“).  N. Solotov und I. Issaew legten eine beileibe feine Art an den Tag, mit deren Hilfe eine langjährige Fälschung erstellt wurde. Die Sache besteht darin, dass auf Grund des Befehls des Verteidigungsministeriums der UdSSR Nr. 15 vom 10. Januar 1940 die Unterteilung der Panzertechnik in folgende 5 Gruppen vorgesehen war:

1. neu, früher im Betrieb nicht befindlich und für die direkte bestimmungsgemäße Verwendung durchaus geeignet

2. im Betrieb befindlich, durchaus funktionsfähig und für die direkte bestimmungsgemäße Verwendung geeignet

3. bedarf einer Reparatur in Bezirkswerkstätten (mittlere Reparatur)

4. bedarf einer Reparatur in zentralen Werkstätten und Werken (Generalreparatur)

5. untauglich (die Panzer dieser Gruppe wurden abgemeldet und in die zusammengefaßten Listen nicht eingetragen)

          Hoffentlich ist der Leser schon dahintergekommen, wie nämlich er hinters Licht geführt wurde: der Gruppe der „Kampfbereiten“ ordnete man nur die erste Kategorie zu, d.h. absolut neue Panzer,  und die ganze Kategorie zwei wurde der Gruppe „reparaturbedürftig“ zugeordnet!  Das ist ungefähr dasselbe, wenn man für technisch funktionsfähig nur die Autos hält, die auf dem Podium im Autohaus stehen, und die übrigen, die auf den Straßen fahren, für „reparaturbedürftig“ erklärt… 

         Die letzten Vorkriegsnachrichten „Die Nachrichten über das Vorhandensein und den technischen Zustand der Kampffahrzeuge zum Stand am 1. Juni 1941“  ( zentrales Archiv des Verteidigungsministeriums, F.38, A. 11353, D. 924, L. 135-138, D. 909, L. 2-18 ) zeugen davon, dass fünf westliche grenznahe Bezirke 12.782 Panzer im Bestand hatten (veraltete und aus dem Bestand der Kampfteile ausgeschlossene Tanketten Ò-27), 10.540 (Kategorien 1 und 2)  von denen "für die bestimmunsgemäße Verwendung geeignet" waren ( 82,5 % des ganzen Parks).  Insbesondere zählte man im Kiewer Sondermilitärbezirk (zukünftige Südwestfront) 5465 Panzer, 4788 davon (87,6 %) wurden den Kategorien 1 und 2 zugeordnet.

         Aber mit diesen Zahlen wird der technische Zustand der Panzer, die sich unmittelbar in mechanisierten Korps des Kiewer Sondermilitärbezirkes befanden, nicht beschrieben. Die Sache besteht darin, dass es im Bezirk ein bisschen mehr Panzer gab, als in den mechanisierten Korps.

Acht ( 22.ÌÊ, 15.ÌÊ, 4.ÌÊ, 8.ÌÊ, 16.ÌÊ, 9.ÌÊ, 19.ÌÊ, 24.ÌÊ ) mechanisierte Korps des Kiewer Sondermilitärbezirkes hatten „nur“ 4808 Panzer aus der Gesamtzahl von 5465 im Bestand. Mehr als sechshundert Panzer befanden sich im Bestand von Aufklärungsbataillonen der Schützendivisionen, in Panzerregimentern der Kavalleriedivisionen, in Ausbildungszentren, auf Reparaturbasen und Lagern. Es gibt viele Gründe, zu vermuten, dass neue (oder fast neue) Panzer gerade in mechanisierten Korps, und nicht in Schützendivisionen eintrafen, und dementsprechend war der Anteil der „für die bestimmunsgemäße Verwendung geeigneten“ Panzer in mechanisierten Korps höher, als durchschnittlich im Bezirk.

         Und jetzt gehen wir von den Gesamtzahlen zur Bewertung des technischen Zustands der Panzer der 10. Panzerdivision des 15. mechanisierten Korps über – derselben Division, von deren phänomenalen Verlusten wir am Anfang dieses Kapitels berichtet haben. Schlagen wir noch einmal den „Bericht über Kampfhandlungen der 10. Panzerdivision an der Front des Kampfes gegen den deutschen Faschismus“ auf und lesen dort: "...Die Panzer KV und  Ò-34 waren alle ohne Ausnahme neu und wurden bis zum Zeitpunkt der Kampfhandlungen schon bis 10 Stunden betrieben (sind im Großen und Ganzen eingefahren worden)…

Die Panzer Ò-28 hatten einen durchschnittlichen Fahrbereich von bis zu 75 Fahrstunden…

Die Panzer BT-7 hatten einen Fahrbereich von 40 bis 100 Fahrstunden…

Die Panzer  Ò-26 waren vorwiegend in einem guten technischen Zustand und wurden nur etwa je 75 Stunden betrieben… " (28, S. 207)

        Und jetzt gehen wir von „Laufstunden“ zu den allen verständlichen Kilometern der Fahrleistung über. Bei einer sehr bescheidenen (und für den Schnellen Panzer BT – einer unsinnig geringen) Marschgeschwindigkeit von 10 km pro Stunde verwandelt sich der "klägliche" Rest von 75-100 Fahrstunden in 750-1000 Kilometern der Fahrleistung. Für einen Linienbus, der von Morgen bis Abend Fahrgäste transportieren soll, ist das sehr wenig.  Für einen Panzer – mehr als genug. Im Krieg leben die Panzer nicht so lange. Eine große offensive Operation auf Frontebene setzt ein Vordringen von 250-300 Kilometern voraus. Mit Rücksicht auf das unter den Bedingungen der mehrtägigen Kämpfe unvermeidliche Rangieren muss man diese Zahlen ums 1,5-2-fache, auf 500-600 km vergrößern. Die Panzer der 10. Panzerdivision hatten eine Reserve, die mehr als genug war, um bis Ljublin und Krakow vorzustoßen.  Und mehr verlangte man von ihnen nicht. Der Panzer, der das Ende einer großen Frontoperation „überlebt hat“, deckte vollständig alle Kosten für seine Produktion und seinen Betrieb. Danach kann man ihn ruhigen Gewissens abschreiben oder der Generalreparatur zuführen…

 

  …  Endlich kann man feststellen, dass weder vor dem Sommer 1941, noch danach  solch ein „Massenschwund“ sowjetischer Panzer erwähnt wurde. Als "unzuverlässig", "nicht funktionsfähig", "reparaturuntauglich" stellten sie sich erst in den ersten Wochen des sowjetisch-deutschen Krieges heraus. Bisher zeigten sowjetische Panzer Wunder der Ausdauer.

         Den ersten Kampfeinsatz hatten Panzer BT im Krieg in Spanien. Auf Basis von 50 Panzern BT-5 wurde ein Panzerregiment der republikanischen Armee aufgestellt, das im Oktober 1937 ins Gebiet der Kampfhandlungen am Ebro vorstieß,  nachdem es im Laufe von zweieinhalb Tagen einen 630 (sechshundertdreißig) km langen Marsch gemacht hatte. ( 97 ) Vielleicht war die schwierigste Prüfung der Fahreigenschaften der Panzer BT Khalkhin-Gol. Ende Mai 1939 machten zwei Panzerbrigaden (die 6. und die 11.) einen beispiellosen 80-km langes Vorstoßen durch die glühende mongolische Steppe (die Lufttemperatur erreichte an diesen Tagen 40 Grad, man kann nur vermuten, was sich innerhalb der unter der Sonne glühenden Stahlboxen tat) in den Bereich der zukünftigen Kampfhandlungen. Auf folgende Weise beschreibt diese Geschehnisse der Held der UdSSR K.N. Abramow – Kommandeur des Panzerbataillons der 11. Brigade:

     "…Für unsere Brigade klang der Gefechtsalarm am 28. Mai. Für die Vorbereitungen nach dem Gefechtsalarm hatten wir anderthalb Stunden. Das Bataillon war nach 55 Minuten marschbereit. Es stand ein den Anstrengungen und der Distanzlänge nach nie dagewesener 800-km-Marsch durch die wasserlose mongolische Steppe bevor… Die Kolonne zog über einen kaum bemerkbaren Steppenweg, der von Kamelkarawanen getrampelt worden war. Stellenweise hörte der Weg auf – er war vom Sand zugeweht. Für die Überwindung sandiger und versumpfter Gebiete musste man die Panzer vom Radbetrieb auf den Raupenbetrieb umstellen. Diese Arbeit konnten gut ausgebildete Besatzungen in 30 Minuten erledigen… "

          Am Ende des 31. Mai drang das Bataillon in den geplanten Abschnitt zur Gänze vor. Ein bisschen mehr Zeit (6 Tage) brauchte die 6. Panzerbrigade für den 800-km-Marsch. 6 Jahre nach den Kämpfen am Chalkin Gol, im August 1945 nahmen die Panzer BT-7 im Bestand der 6. Gardepanzerarmee an der so genannten „Mandschurischen strategischen Operation“ teil. Die Panzerbrigaden legten damals 820 (achthundertzwanzig) km durch die Bergkette des Großen Hsingan mit einem durchschnittlichen Marschtempo 180 km pro Tag zurück.  ( 167 )  Aus der Gesamtzahl von 1019 Panzern aller Typen wurden im Verlauf der Operation nur 78 (achtundsiebzig) verloren! (35, S. 373 ) Die alten BT (die neuesten davon wurden vor 5 Jahren hergestellt) hielten diese Prüfung durch. Wenn man auch vermutet, dass die Panzer die ganzen 6 Jahre einfach stillgelegt waren, so konnte sich auch in diesem Fall ihr technischer Zustand nur verschlechtern: Gummischläuche sind versprödet, Dichtungen sind "ausgepresst", Korrosion zerfraß Kontakte.

        Und jetzt kehren wir vom Fernen Osten nach Westen zurück. Im September 1939 nahmen am „Befreiungsfeldzug“ nach Polen über 3,5  Tausend sowjetische Panzer teil. Überwiegend „unzuverlässige und während der Fahrt auseinanderfallende“ T-26 und BT. Dabei wurden aus technischen Gründen nicht mehr als 12% aller Panzer verloren. Und merken Sie sich, auf demselben Gelände (die Westukraine), auf dem im Juni 1941 mechanisierte Korps der Südwestfront  vom „Massenpanzerschwund“ befallen wurden…

         Die Geschichte des Panzers Ò-34, wie es in allen Büchern steht, begann damit, dass im März 1940 zwei erste Versuchspanzer auf eigener Achse 3000 km auf der Strecke Charkow-Moskau-Minsk-Kiew-Charkow zurückgelegt hatten.  In der Frühlingsschlammzeit, durch Feldwege ( aus den Geheimhaltungsgründen war es verboten, über Hauptstraßen zu fahren und tagsüber sogar Brücken zu benutzen). Ja, solch einer Marsch fiel der Technik nicht leicht – die Scheiben der wichtigsten Reibantriebe waren angebrannt, es wurden Ausbrüche auf den Zahnrädern im Antriebskasten festgestellt, die Bremsen überhitzten sich. Endlich wurde für Serienpanzer T-34 die Fahrleistung zwischen Reparaturen nicht auf 3000 km (und gerade solch eine fantastische Zahl war in der technischen Aufgabe vorgesehen), sondern auf „nur“ eintausend km festgelegt. 

         In der Januarkälte 1943, im Verlauf der offensiven Operation „Don“, legten sowjetische Panzerbrigaden über 300 km durch die verschneite Donsteppe zurück und zerschlugen mächtige Kräfte der deutschen Heeresgruppe "À", die im Sommer 1942 zu den Erdölgebieten von Mosdok und Grosniy durchbrachen.  Im Sommer 1944, im Verlauf des Bagration-Unternehmens (die Zerschlagung der deutschen Heeresgruppe „Mitte“ in Weißrussland) legte die 5. Gardepanzerarmee, die auf einem unwegsamen Gelände durch Wälder und Moore angriff, 900-1300 km bei einem Angriffstempo bis 60 km pro Tag und dem gesamten Reservenverbrauch von 160–170 Stunden zurück.  (167, S. 227) Im Mai 1945 legten die Panzer der 3. und 4. Gardepanzerarmeen eine Strecke von 400 km von Berlin bis Prag zurück.  Durch Berge und Wälder, in 5 Tagen, und dabei ohne bedeutende technische Verluste. Der legendäre „Vierunddreißiger“ überlebte den ganzen Krieg, viele Armeen der Welt hatten ihn bis Mitte der 50er Jahre im Bestand. Die finnische Armee hatte sowjetische Beutepanzer und leichte Artillerieschlepper „Komsomolez“ sogar bis 1961 im Bestand! Ohne Ersatzteile, ohne Betriebsanleitung, im finnischen Schnee und Moor… 

           Aber die erstaunlichste Bestätigung der Zuverlässigkeit und Lebensfähigkeit der sowjetischen Technik können wir finden, indem wir… die Verluste der mechanisierten Korps der Roten Armee im Sommer 1941 analysieren. Aber nicht Panzer-, sondern Kraftfahrzeugverluste.

          Schlagen wir noch einmal den Bericht des Kommandeurs der 10. Panzerdivision auf.  Vor Beginn der Kampfhandlungen verfügte die Division über 864 funktionsfähige LKWs und Tankwagen.  613 davon fuhren über den Dnjepr nach Pirjatin. Ein ausgezeichnetes Ergebnis! Fast drei Viertel von der ursprünglichen Zahl der Kraftfahrzeuge legten eine Strecke von 500 km (in den Berichten wurde sogar die Zahl von 3000 km genannt) von der Grenze bis zum Dnjepr zurück – Und das auf zerschlagenen unbefestigten Wegen, unter Angriffen der feindlichen Luftwaffe, ohne Reparaturdienst und Ersatzteile. Indem wir das „obligatorische sowjetische Verzeichnis“ der Gründe für die Zerschlagung fortsetzen, müssen wir auch die Phrase über den „fehlenden Treib- und Schmierstoff“ hinzufügen, aber so was gibt es in der Natur nicht, deshalb muß man zugeben, dass man Benzin für LKWs doch gefunden hat.

          Wenn von 864 Fahrzeugen nur 613 nach Pirjatin kamen, so gab es auch Verluste. Mathematisch kann die Zahl 251 errechnet werden, im Bericht sind die Gründe für den Verlust von 293 Kraftfahrzeugen angegeben. Diese Diskrepanz kann insbesondere darauf zurückzuführen sein, dass die Division außer LKWs noch Dutzende PKWs hatte. Aber wir uns an diese unbedeutsamen Einzelheiten nicht klammern, wichtiger ist etwas Anderes – was waren die Gründe für die Kraftfahrzeugverluste?

         "210 Kraftfahrzeuge wurden im Kampf verloren, 34 Kraftfahrzeuge sind mit Fahrern wegen technischer Störungen oder fehlenden Treib- und Schmierstoffen in der feindlichen Einkesselung geblieben, 2 Kraftfahrzeuge wurden auf der Sammelstelle für ausgefallene Fahrzeuge zerstört, weil die Evakuierung beim gesamten Rückzug des Truppenteils unmöglich war, 6 Kraftfahrzeuge blieben an den Hindernissen stecken, weil ihre Evakuierung unmöglich war, und 41 Kraftfahrzeuge blieben beim Rückzug des Truppenteils wegen technischer Störungen und der fehlenden Möglichkeit für ihre Reparatur stehen". Also wegen technischer Störungen wurden nicht mehr als 77 Kraftfahrzeuge verlorenweniger als 9% von der ursprünglichen Gesamtzahl. Das ist ein sehr gutes Anzeichen für die technische Zuverlässigkeit. Aber was für extrazuverlässige und sehr geländegängige Kraftfahrzeuge sind das? Im Bericht gibt es eine genaue Antwort auch auf diese Frage: 503 GAS-AA und 297 ZIS-5.

        Der „Gasik“ GAS-AA ist der ehemalige amerikanische Ford-A. Einfach und billig, ein „Budget-LKW“. Einfach und billig zum Anfang der 20er Jahre, als er entwickelt und in Produktion gegeben wurde. Anfang 40er konnte man ihn im technischen Museum unterbringen. Die Vorderachse aus einer Feder, die quer zum Rahmen stand, die Hinterachse hängt in zwei Stümmeln – Halbfedern, Vergaser ohne Luftfilter (ein einfaches Loch für die Luftentnahme, und alles). Mit einer „rasenden Geschwindigkeit von 40 km pro Stunde konnte ihn in geradliniger Bewegung nur eine tiefe Fahrrinne festhalten. Nach zwei - drei Fahrten vom Kolchosfeld zum Stadtgetreidespeicher führte der „Gasik“-Fahrer ihn mit dem Gefühl einer erfüllten Pflicht der Reparatur zu: Babbitlager der Kurbelwelle neu anziehen,  den „Staubsaugervergaser“ auswaschen und sonstiges. Und dieser Klapperkasten war zuverlässiger, geländegängiger vor Luftangriffen besser geschützt, als gepanzerte Raupenfahrzeuge, einige von denen (BÒ-7, Ò-34) nach allen Merkmalen der Beweglichkeit als die besten Panzer in der Welt hätten gelten können?

          Aber kann man weitreichende Schlussfolgerungen anhand der Angaben über die Verluste einer einzigen Division ziehen? Natürlich nicht, deshalb gehen wir weiter. Die 37. Panzerdivision desselben 15. mechanisierten Korps. Eine genaue Anzahl der Kraftfahrzeuge, die zum Anfang der Kampfhandlungen vorhanden waren, wurde weder im Bericht des Divisionskommandeurs, noch im Bericht der Person, die den Korpskommandeur vorläufig im Amt vertrat, angegeben. Es gibt nur Beschwerden darüber, dass "das Panzergrenadierregiment mit Kraftfahrzeugen nicht vollständig ausgestattet war". Am 15. Juli 1941 hatte die Division, die sich in Pirjatin konzentrierte: "Panzer  Ò-34 - 1, Panzer BÒ-7 -  5, Panzerfahrzeuge BÀ-10- 11, Radwagen - 173". Hundertdreiundsiebzig Kraftfahrzeuge. Und nur 6 Panzer von 316.

         Nehmen wir den Bericht des Kommandeurs der 32. Panzerdivision des 4. mechanisierten Korps in die Hand. Von 420 Kraftfahrzeugen aller Typen (PKWs, LKWs, Sonderfahrzeuge, Tankwagen) wurden 133 verloren. (28. S. 189-192)  32% von der ursprünglichen Anzahl. Ich erinnere, dass 269 Panzer von 323 verloren wurden.

         Das 18. mechanisierte Korps der Südfront. Wie alle anderen Truppenverbände der Südfront begann es Kampfhandlungen und wurde mehrere Wochen später, als mechanisierte Korps der Südwestfront zerschlagen. Bis Ende Juli hielt noch das 18. mechanisierte Korps durch. Es hatte noch nur 43 Panzer BT und 19 Panzer T-26, dafür blieben 100 PKWs und 1771 LKWs und Sonderfahrzeuge übrig, darunter auch 1230 „extrazuverlässige“ GAS-AA.

          Am längsten existierte das 2. mechanisierte Korps der Südfront. Zum Stand am 1. August hatte das Korps 136 Panzer (26 % von der ursprünglichen Anzahl) und 3294 Kraftfahrzeuge (87% von der ursprünglichen Anzahl) im Bestand. (152, S. 412, 415) 

          Und jetzt gehen wir zu den meist verallgemeinerten Angaben über. Dafür wenden wir uns wieder an die offizielle Quelle – an den vielfach oben erwähnten statistischen Sammelband „Geheimhaltungsvermerk gelöscht“. Die Verfasser dieses Werks haben ihre Arbeit gewissenhaft gemacht. Auf vierzehn Seiten sind Verluste der Bewaffnung und der Militärtechnik nach Kriegsjahren aufgezählt. Panzer - einzeln, Kanonen – einzeln, 122-mm-Haubitzen - separat von 152-mm-Haubitzen usw. Im zweiten Halbjahr 1941 ist die Prozentzahl der Verluste unheimlich groß: 73 % Panzer, 70% Panzerabwehrkanonen, 65% schwere Maschinengewehre, 61 % Granatwerfer... Und es wurden nur wurden 33 % der Kraftfahrzeuge von der Gesamtzahl verloren (35, S. 352-363)

          Wie kann das sein? Primitive „Gasiks“ und ein bisschen sie übertreffende ZIS waren mehrfach sicherer als Panzer? Zuverlässiger als Panzerfahrzeuge, die auf Basis derselben ZIS geschaffen wurden? Leimholzkabinen stellten sich stabiler als Stahlpanzergehäuse heraus? Und Benzin wurde für die rechtzeitige Abfahrt aus dem vom Feind besetzten Territorium gefunden? Kraftfahrzeuge sind aber kein Pferd, und natürlich kein Rotarmist – mochte man auch noch so lange „ins Gewissen reden“, aber ohne Brennstoff kommt es nicht von der Stelle…

           Aber vielleicht verstehen wir etwas Wichtiges nicht? Vielleicht gibt es ein für Dilettanten unbekanntes Kriegsgesetz, nach dem die Kampflebensfähigkeit der Leimholzfahrzeuge höher als die Lebensfähigkeit der Panzer ist?

Dieser Zweifel ließ mich nicht in Ruhe, bis ich die für Fachleute gut bekannte Monografie von Reingardt „Wendepunkt bei Moskau“ öffnete (171, S. 381) Am Ende des Buches des „besiegten Hitlergenerals“ ist eine Tabelle mit Zahlen der Bewaffnungs und Kampfstechnikverluste (einschließlich Kraftfahrzeuge) der Wehrmacht an der Ostfront 1941 angegeben.  Und der letzte Zweifel verschwand. Es gibt keine Wunder – die Verluste der Kraftfahrzeuge in der kämpfenden Armee übertreffen zehnmal die Panzerverluste:

 

 

    Panzer

Kraftfahrzeuge

   k=

Die Rote Armee

 20.500

 159 Tausend

    8

Die Wehrmacht

   2.831

 116 Tausend

   41

 

         Die Differenz zwischen den Zahlen ist kraß. Jetzt besprechen wir noch nicht die Frage, warum die Verluste der zurückziehenden Roten Armee höher als die Verluste der angreifenden Wehrmacht sind. Dafür kann man eine Menge „objektiver“ Gründe finden oder erfinden. Aber in der Wehrmacht entfallen auf einen verlorenen Panzer 41 Kraftfahrzeuge, und in der Roten Armee – nur 8. Und das ist der Durchschnittswert für das zweite Halbjahr 1941. Wenn wir die Struktur der Verluste der mechanisierten Korps der Südwestfront in den ersten drei Kriegswochen (als die Panzer noch zur Verfügung standen) betrachten, so ist dort die Zahl der verlorenen Kraftfahrzeuge und Panzer fast gleich, oder es wurden in absoluten Zahlen mehr Panzer, als Kraftfahrzeuge verloren! 

         Aber alles ist ganz einfach. Die Wehrmacht kämpfte. Ja, sie kämpfte der Ausplünderung eines fremden Landes halber, indem sie den verbrecherischen Willen des menschenfeindlichen Regimes erfüllte. Aber die deutsche Armee kämpfte, und deswegen bewahrte sie vor allem ihre Panzer. Die Rote Armee verwandelte sich ab den ersten Kriegsstunden in eine Menge bewaffneter Flüchtlinge, für die vorgestriche „Gasik“ bedeutend wertvoller als die neuesten weltbesten Panzer waren… 

 

 

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